Ohrentzündungen bei Mäusen

Mittelohrentzündung (Otitis media) und Innenohrentzündung (Otitis interna) sind vor allem bei Farbmäusen häufiger auftretende Ursachen des sogenannten Schiefkopfes. Diese zeigt mitunter ein sehr heftiges Symptombild, ist in der Regel aber auch bei extremer Ausprägung gut behandelbar. Leider tendieren trotzdem Halter und auch Tierärzte in solchen Fällen (zu) oft zum Einschläfern. Dieser Artikel soll Ihnen deshalb nicht nur die Otitis vorstellen, sondern auch einen Leitfaden bieten, wie Sie Mäusen mit schweren Symptomen über die erste Zeit helfen können.
Entzündungen des äußeren Ohrs (Otitis externa) sind eher selten.

Ursachen für Ohrentzündungen bei Mäusen

Das Ohr besteht aus drei Abschnitten: dem äußeren Ohr, dem Mittelohr und dem Innenohr. Das Außenohr mit der Ohrmuschel verfügt über Schweiß- und Talgdrüsen und endet am Trommelfell. Hier beginnt das Mittelohr mit Paukenhöhle, Gehörknöchelchen und Knochenblase. Im Mittelohr mündet auch die Eustach’sche Röhre, die aus dem Rachen aufsteigt. Im Innenohr liegt das sogenannte Labyrinth, das unter anderem für den Gleichgewichtssinn verantwortlich ist.

Ohrentzündungen sind häufig bakterielle Infektionen des Mittel- und/oder Innenohrs. Dabei wandern Erreger entweder über ein Loch im Trommelfell (z. B. durch Otitis externa) oder über die Eustach’sche Röhre ein. Typische Erreger einer Otitis sind Pasteurellen, Streptokokken, Staphylokokken, Mycoplasma pulmonis und Bordatella bronchiseptica.

Ursachen im Überblick

Übertragung von Ohrentzündungen

Die Ohrentzündung selbst ist nicht ansteckend. Die sie verursachenden Keime können aber – beispielsweise über Aerosole, direkten Kontakt oder über eine Schmierinfektion – weitergegeben werden. Dringen sie bei einem weiteren Tier ins Ohr vor, können sie dann auch hier eine Otitis hervorrufen.

Übertragung im Überblick

Symptome einer Otitis

Das markanteste Symptom einer Otitis ist der Schiefkopf. Die Schiefhaltung des Kopfes kann dabei sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Sie reicht von einer kaum sichtbaren Schräglage bis zur 90°-Drehung des Kopfes, sodass der Patient quasi mit dem Ohr am Boden „klebt“. Oft ist dann auch die Orientierung im Raum massiv gestört. Die betroffenen Mäuse können oben nicht mehr von unten unterscheiden, können nicht mehr sitzen und drehen sich bei Berührung um die Längsachse, statt wegzulaufen. Eine Folge: Eine Maus mit extremem Schiefkopf kann anfangs mangels ausreichender Koordination nicht mehr selbständig fressen.

Darüber hinaus leiden Otitis-Patienten mitunter unter Juckreiz und kratzen am Ohr. Dadurch treten Rötungen und kleine Wunden am Ohr auf. Neben Gleichgewichtsstörungen lassen sich bei einer Otitis auch weitere Bewegungs- und Koordinationsstörungen beobachten.

Selten kann auch Eiter oder Sekret aus dem betroffenen Ohr laufen.

Das Allgemeinbefinden kann reduziert sein. Das betrifft jedoch nicht jeden Patienten.

Symptome im Überblick

Diagnose von Otitiden

Der erste Hinweis auf eine Otitis ist in der Regel der Schiefkopf, der mit einem ansonsten meist eher guten Allgemeinbefinden einhergeht. Unter dem Otoskop erscheinen die Schleimhäute des Ohres geschwollen und gerötet. Zusätzlich kann sich sichtbar Flüssigkeit im Ohr sammeln. Bei einer Entzündung des Mittelohrs kann das Trommelfell durch Flüssigkeitsansammlungen dahinter vorgewölbt sein.
Auf dem Röntgenbild erscheint die Otitis als Schatten auf der Knochenblase.

Der Nachweis der Erreger ist am lebenden Tier oft nicht möglich.  In der Literatur wird zwar die Punktion der Knochenblase (Bulla tympanica) erwähnt. In der Praxis ist das gerade an kleineren Mausarten aufgrund der geringen Größe schwierig bis unmöglich und wird nicht angewendet. Denkbar zur Bestimmung von Erregern ist eher ein Abstrich, wenn Sekret aus dem Ohr abfließt.

Der Schiefkopf wird von Tierärzten oft als Schlaganfall oder als Befall mit E. cuniculi diagnostiziert. Schlaganfälle sind meiner Erfahrung nach bei Mäusen aber sehr selten. Auch E. cuniculi kommt bei Mäusen nur sehr selten vor. In der Regel sind dann Nager betroffen, die engen Kontakt zu typischen Trägern, also Kaninchen, hatten. Neoplasien können vor allem bei Farbratten eine alternative Ursache für die Symptome sein. Das Cholesteatom betrifft als weitere mögliche Ursache vor allem Mongolische Rennmäuse.

Möglichkeiten der Diagnose
Typische Ergebnisse der Anamnese:
Weitere Untersuchungen:
Differentialdiagnosen:

Behandlung einer Otitis bei Mäusen

Eine Otitis kann zwar langwierig sein, ist aber in der Regel gut behandelbar. Wichtig ist die begleitende Hilfe für vorübergehend stark eingeschränkte Tiere.

Medikamentöse Behandlung

Bei einer Otitis kommen Sie bei mausartigen Nagern um eine Antibiose in der Regel nicht herum. Therapiert wird dann mit einem ZNS-gängigen Antibiotikum, also beispielsweise mit Enrofloxacin (Baytril) oder Marbofloxacin (Marbocyl). Bei schweren Fällen bietet Doxycyclin als Depot den Vorteil, dass Sie das Tier nur einmal alle 5 Tage spritzen (lassen) und es nicht mit täglicher Gabe stressen müssen. Das hat sich vor allem bei Tieren bewährt, die sich schon bei kleinen Berührungen vor Aufregung massiv um die eigene Achse drehen. Zum Spritzen brauchen Sie dann allerdings 2 Personen: einer, der spritzt, und ein Handlingerfahrener, der das Tier sicher, aber schonend fixiert.

Bei einer Otitis externa erreichen sie die betroffenen Stellen außerdem auch lokal. Am besten eignen sich hier ergänzend zur systemischen Therapie antibiotische Augentropfen, deren Wirkstoff zum systemischen Antibiotikum passt. Die Tropfen verkleben das Fell nicht und reizen weniger zum Kratzen als Lotionen, Salben oder Gele.

Wichtig: Vor allem bei starker Schiefhaltung des Kopfes kann eine Fehlhaltung auch bei erfolgreicher Behandlung der Otitis zurückbleiben. Das Gehirn gewöhnt sich jedoch an diese schiefe Sicht der Welt, sodass die Tiere wieder normal im Raum orientiert sind. Der Schiefkopf ist für sie dann keine Einschränkung mehr.

Begleitende Versorgung

Leidet Ihr Patient lediglich unter Rötungen, Juckreiz am Ohr und ähnlichen Symptomen, reicht eine medikamentöse Behandlung aus. Bei neurologischen Ausfällen sollten Sie allerdings die Umgebung an die (vorübergehenden) Einschränkungen Ihres Patienten anpassen. Bei ataktischen und schlecht oder gar nicht mehr im Raum orientierten Mäusen reduzieren Sie die Unfallgefahr, indem Sie Ebenen sichern oder ganz rausnehmen. Auch Kletterinventar und hängende Höhlen, Kokosnüsse oder Nester sollten Sie aus dem Gehege entfernen.

Stark desorientierte Patienten müssen Sie eventuell einige Tage mit Brei aus der Spritze füttern, bis sie wieder selbständig fressen können. Als Mahlzeit eignen sich Schmelzflocken, Körnerbreie, Obst- und Gemüsebreie für Babys. Bieten Sie außerdem aus einer Spritze Wasser an.

Wenn die Maus wieder besser orientiert ist, stellen Sie Brei und Wasser auch ins Gehege, um zu sehen, wann Ihr Patient wieder mit einer eigenständigen Nahrungsaufnahme beginnt. Nutzen Sie dafür aber sehr flache Schalen, damit Ihr Patient nicht ertrinken kann.
Komplett desorientieren Mäusen sollten Sie keine Schalen reinstellen. Sie fallen nur in Wasser und Brei und verkleben sich das Fell.

Behandlungsmöglichkeiten
Bewährte Mittel und Medikamente
CAVE – EUTHANASIE!
Vor allem bei heftigen neurologischen Symptomen, bei denen die Patienten nicht mehr selbständig fressen können und sich schon bei Berührung massiv um die eigene Achse drehen, raten Tierärzte oft zum Einschläfern. Meiner Erfahrung nach fängt sich die große Mehrheit dieser Patienten mit adäquater Behandlung aber selbst bei einem so schweren Symptombild wieder. Es bedarf lediglich einer intensiven Betreuung und Handfütterung, bis der jeweilige Patient wieder ausreichend orientiert ist, um selbst zu fressen. Wägen Sie eine Euthanasie also sehr sorgfältig ab.
Orientierungslose Patienten überbrücken
Achtung: Extrem desorientierte Mäuse, die aus der Spritze nichts annehmen können, können Sie auch für einige Tage mit Infusionen (Sterofundin, Jecuplex) über Wasser halten. So überbrücken Sie die Zeit, bis das Antibiotikum greift und Ihr Patient zumindest mit Hilfe wieder selbst fressen kann.

Fallbeispiel: Verlauf einer Otitis mit schweren Symptomen

Die Patientin der nachfolgenden Videoserie habe ich aus dem Raum Köln zur Behandlung bekommen, da der dortige Tierarzt das Tier nicht behandeln, sondern lediglich einschläfern wollte.
Die kleine, zu dem Zeitpunkt etwa 6 Monate alte Mäusin war schlecht orientiert und ziemlich dünn, da sie nicht mehr selbständig fressen konnte. Der Allgemeinzustand war bereits reduziert, da zwischen der Behandlungsverweigerung des Tierarztes und der Abgabe im Mäuseasyl einige Tage lagen.
Ich habe sie 2 Tage infundiert und 4 Tage von Hand mit Brei (zu)gefüttert. Therapiert wurde sie mit Doxycyclin Depot für 15 Tage und wohnte für die Zeit mit ihrer Gruppe in meiner großen Rotlichtbox als Krankenstation.
Nach Abschluss der Behandlung habe ich die kleine Patientin wieder an ihre Besitzerin zurückgegeben, wo sie noch 1,5 Jahre lebte. Das letzte Video der Serie zeigt die kleine Mäusin kurz vor ihrer Abreise nach Hause.

Einer Otitis bei Mäusen vorbeugen

Gezielt können Sie einer Otitis bei Mäusen nicht vorbeugen. Sie können aber die Wahrscheinlichkeit einer solchen Infektion senken, indem Sie das Gehege sauber halten und Faktoren ausschalten, die insbesondere Erkältungen begünstigen oder das Immunsystem belasten. Dazu zählen beispielsweise Kälte und Zugluft. Auch eine Mangelernährung schadet dem Immunsystem, dem dann wichtige Stoffe für eine optimale Funktion fehlen.

Vorbeugende Maßnahmen im Überblick
Disclaimer
Diese Seite dient nur der Information. Sie ist kein Ersatz für den Tierarzt und soll auch keine Behandlungsanleitungen für den Alleingang bieten. Haftung für Schäden an Ihren Tieren bei Handeln ohne Ihren Tierarzt wird daher nicht übernommen!

Quellen

Ewringmann, Anja; Glöckner; Barbara: Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus; 1. Auflage, Enke 2008, S. 155ff.
Müller, Kerstin: HeimtierSkills – Praxisleitfaden zur Diagnose und Therapie bei kleinen Heimtieren, Schattauer 2017; S. 405, 438, 469

Letztes Update: 30.07.2020