Folgen der Einzelhaltung

Häufige Folgen

Auch wenn es nicht immer offensichtlich ist, Einzelhaft bleibt niemals ohne Folgen. Nur ist die Art und Ausprägung der Symptome von Tier zu Tier und auch von Art zu Art mitunter sehr unterschiedlich.
Zu oft übersehenen Symptomen gehören etwa diese:

  • verminderte Bewegungsfreudigkeit
  • reduzierte oder auch übermäßige Nahrungsaufnahme
  • extreme, unnatürliche Zahmheit
  • extreme, unnatürliche Scheu
  • Bissigkeit
  • vermindertes Immunsystem
  • schlechtere Wundheilung
  • Störung des vegetativen Nervensystems
  • vernachlässigte Fellpflege
  • verminderte Intelligenz
  • Kontaktstörungen
  • Depressionen
  • frühzeitiger Tod

Diese Symptome treten zwar häufig auf, werden aber in der Regel schlicht übersehen oder zumindest fehlinterpretiert. Es bedarf einiger Erfahrung im Verhalten der betrachteten Art(engruppe), um sie zu erkennen. Einige, wie die Störung des vegetativen Nervensystems oder Depressionen lassen sich in der Haustierhaltung so gut wie gar nicht nachweisen – was jedoch nicht heißt, dass sie nicht vorhanden sind.
Einige Symptome werden aber auch schlicht dann erst deutlich, wenn das vereinsamte Tier wieder Gesellschaft bekommt. Im Vorher-Nachher-Vergleich lassen sich besonders verminderte Bewegungsfreudigkeit, reduzierte oder übermäßige Nahrungsaufnahme, unnatürliche Zahmheit/Scheu, Bissigkeit und Kontaktstörungen gut und auch für Laien recht deutlich erkennen.
Im einzelnen nicht nachzuweisen – aber durch Vergleiche mit Wurfgeschwistern zu vermuten – ist der frühzeitige Tod, der bei Einzelhaft sogar schon für den Menschen nachgewiesen werden konnte.

Seltene Folgen

Symptome, die nicht immer richtig interpretiert, jedoch wenigstens in den meisten Fällen bemerkt werden, sind folgende:

  • Apathie
  • Kontaktstörungen, die bei einer Vergesellschaftung sichtbar werden
  • Verweigerung der Nahrungsaufnahme
  • Autokannibalismus

Besonders die Kontaktstörungen bei Vergesellschaftungen fallen häufig auf, weil sie eine Vergesellschaftung schnell für Mäuse und Mensch zum Spießrutenlauf geraten lassen. Anfänger sind mit solchen Tieren schnell überfordert und stempeln sie als nicht ganz dicht, grundlos aggressiv oder erklärte Einzelgänger ab.
Apathie und Nahrungsverweigerung sind ebenfalls eher selten und werden bei ihrem Auftreten schnell als Symptom für eine physische Krankheit missinterpretiert. Gerade bei Einzeltieren sollten Sie aber auch in Erwägung ziehen, dass sie Folge der Einsamkeit sein könnten.
Der Autokannibalismus ist die seltenste, wenngleich auch massivste Störung, bei der sich das Tier selbst Gliedmaßen oder andere Körperregionen an- oder gar abfrisst. In der Regel steht Halter hilflos vor einem solchen Problem. An Einzelhaft als Ursache wird meist nicht gedacht.

Die für den Menschen bei Wikipedia aufgeführten Folgen der Isolationshaft (und nichts anderes ist Einzelhaltung!) können in großen Teilen so oder in ähnlicher Weise auch für soziale Kleinsäuger angenommen werden, wobei die Auswirkungen umso schlimmer sind, je intelligenter und sozialer eine Art ist.

Soziale Einzelgänger?

Einzelhaltung kann aus hochsozialen Tieren regelrechte Psychopathen machen – aber keine Einzelgänger. Lassen sich Langzeitsolos schlecht vergesellschaften, bekommen sie schnell den Stempel: „Der will alleine sein.“ Kein soziales Nagetier will einsam sein. Daran ändert auch eine lange Einzelhaltung nichts, da das Kontaktbedürfnis angeboren ist. Verloren geht jedoch die Fähigkeit, Kontakt zuzulassen und auszutauschen. Oft sind es Berührungen, die die ehemaligen Einzeltiere nicht ertragen können. Schon vorsichtiges Schnuppern oder ein versehentlicher Tritt auf den Schwanz kann dadurch zur Katastrophe werden. Nicht wenige Solos gehen bei der Kontaktaufnahme in die Vorwärtsverteidigung und beißen alles weg, was bei drei nicht auf den Bäumen ist.

Die denkbar schlechteste Lösung ist es dann, ihnen eben diesen Satz aufzudrücken und sie allein in einen Käfig zu sperren. Damit vermehren und verlängern Sie lediglich das Leid der einsamen Maus. Vielmehr gilt es, den oder die Auslöser zu finden und zu beseitigen oder zumindest abzumildern und mit den Tieren zu üben, Berührungen wieder zu ertragen. Außerdem brauchen diese verstörten Kreaturen sozial hoch kompetente Artgenossen, die sich von ihrer Aggression nicht aus der Ruhe bringen lassen. Offen gezeigte Angst oder entgegnete Aggression sind wenig förderlich, da aggressive Langzeitsolos mit diesen Aspekten des Verhaltensspektrums nicht (mehr) umgehen können. Sie müssen die Sprache ihrer Art und eine passende Reaktion auf verschiedene Verhaltensweisen erst wieder lernen. Das gilt insbesondere für Mäue, die schon sehr jung vereinzelt wurden und deren sozialer Lernprozess daher nie abgeschlossen wurde.

Aggressive Langzeitsolos sind eine ganz besondere Herausforderung. Im Mäuseasyl arbeite ich seit vielen Jahren mit solchen Tieren und weiß daher, dass sich die Mühe lohnt. Es gibt nichts Schöneres, als einem Ex-Solo beim entspannten Kuscheln zuzusehen. Schaffen können das alle. Es liegt bei Ihnen als Halter, den Mäusen die Chance dazu zu geben und sie auf dem Weg richtig zu begleiten.