
Es gibt so Momente im Leben einer Pflegestelle, da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dieser Tage hatte ich mal wieder eine solche Begegnung – mit der Leiterin eines österreichischen Tierheims unweit vom schönen Graz.
Es gibt so Momente im Leben einer Pflegestelle, da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dieser Tage hatte ich mal wieder eine solche Begegnung – mit der Leiterin eines österreichischen Tierheims unweit vom schönen Graz.
“Meine Maus hat ein Augenproblem. Hilfe!” So tönt es öfter durch’s soziale Netzgewerk. Gern lassen einen die Autoren raten, wie das denn aussieht. Videos oder wenigstens Bilder? Fehlanzeige. Das Problem ist ja klar, die Maus kriegt die Augen nicht richtig auf.
Schnell findet sich dann die Internetgemeinde zusammen und philosophiert über Augenspülungen, Euphrasia, Augensalben, -gels und -tropfen. Irgendwie muss das ja wieder weg gehen. Das Problem: Trotz bravster Ausführung der Tipps seitens des hilfesuchenden Halters, will sich das Augenproblem einfach nicht schamvoll davonstehlen.
Im Gegenteil, es behauptet sich hartmäckig und wird in so manchem Fall eher schlimmer als besser. Dann fabuliert die Netzgemeinde weiter – meist im nächsten “Hilfe!”-Post – woran das wohl liegen könnte. “Austherapiert” … “Resistenzen” … “Probier lieber mal [setze hier beliebig von Schulmedizin bis Schwurbel irgendwas ein] …” So grübelt sich die Gemeinde voran und stochert – nicht selten immer noch ohne bewegtes oder unbewegtes Bildmaterial vom Patienten – fröhlich im Trüben.
Erst wenn die vermeintlich harmlose Augenentzündung einfach nicht weichen will, macht es in meinen Benachrichtigungen “pling”. “Elizabetha, Du wurdest markiert.” Wer mir dann dumm kommt, weil ich erstmal 1.000 Fragen hab und Bildwerk will, weil “was hat das mit den Augen zu tun?”, dessen Tier tut mir leid, denn dem kann ich nicht helfen.
Das Gros der Halter ist jedoch froh, dass sich jemand Ihres Falles annimmt und so finden dann endlich Bilder ihren Weg ins soziale Netz. Oft zeigen die dann schon einen Patienten in – für mich – erschreckendem Zustand. Und es ist ziemlich schnell klar: Die Augen sind ein Symptom, aber definitiv nicht das Problem.
Das ungefähr ist zumindest dann oft mein Motto, denn weder Halter, noch befragter Tierarzt haben bis dahin mitgeschnitten, wie sehr die Hütte eigentlich brennt. Die Folge: Es ist wertvolle Zeit verstrichen. Zeit, die den kleinen Patienten das Leben kosten kann, insbesondere dann, wenn die Grunderkrankung bereits einen deutlichen Substanzverlust verursacht hat und weit fortgeschritten ist.
Und gerade bei solch unspezifischen Symptomen wie verklebten oder (wegen Apathie) geschlossenen Augen und vermindertem bis schlechtem Allgemeinzustand, kann die Suche nach der Ursache an sich schon mal eine gepflegte Weile dauern – Zeit also, die man statt in falsche Augenbehandlungen lieber in eine vernünftige Diagnostik oder notfalls auch in eine Suchbehandlung hätte investieren können und sollen.
Klingt krass? Ist aber so, aus der eben beschriebener Dynamik heraus. Manche Erkrankungen lassen sich einfach nicht aufhalten, egal wann man sie entdeckt. Das Gros der Ursachen ist aber behandelbar – eine rechtzeitige Behandlung vorausgesetzt.
Deshalb: Wenn Eure Maus verklebte Augen hat oder sie oft bzw. sogar ständig wie müde halb oder gar ganz geschlossen hält, dann schaut, wo es brennt und löscht dort. Die Augen werden dann oft von allein wieder klar und sind wieder normal geöffnet – ganz ohne ophtalmologisches Primborium.
Die meisten Medikamente haben nicht nur Wirkungen, sondern auch Nebenwirkungen. In der Regel halten die sich in Grenzen. Mitunter können sie aber sogar Leben fordern. Leider steht nicht jede Nebenwirkung, die bei Mäusen so auftritt, auch in der Fachliteratur. Die interessiert sich nämlich eher selten für Mäuse als Patienten. Für kleine Nager heißt das öfter mal: Jugend forscht.
Diese Forschung ist aber nur dann sinnvoll, wenn Ihr wisst, was Ihr da tut. Das heißt: Ihr solltet immer wissen, welches Medikamen mit welchem Wirkstoff Ihr in welcher Dosierung verabreicht. Habt Ihr nämlich Probleme bei der Verträglichkeit und wollt nachfragen, ob das schon mal jemand hatte, müssen Eure Konversationspartner sicher sein, dass Ihr das korrekte Mittel ebenso korrekt dosiert habt.
Nur wenn Nebenwirkungen bei korrekter Medikamentierung und Dosierung auftreten, sind sie auch für andere Halter und künftige kleine Patienten von Bedeutung. Wer Nebenwirkungen provoziert, weil er zum Beispiel gnadenlos überdosiert und diese Nebenwirkungen auf das Medikament als solches zurückführt, verfälscht die Infolage. Schließlich wusste schon der gute Paracelsus: Die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist.
Nehmen wir zum Beispiel Nuflor mit dem Wirkstoff Florfenicol. Da kam eine besorgte Halterin zu mir, ihr Tierarzt hätte ihre Maus fast umgebracht. Das kleine Tierchen hatte einen hartnäckigen Infekt und das zweite Mittel der Wahl war Nuflor, nachdem Baytril nicht tat, was es sollte. Eine Entscheidung, die ich durchaus noch nachvollziehen konnte. Immerhin ist Nuflor für Mäuse ein seltenes Antibiotikum und könnte bei vermuteten Resistenzen durchaus was tun.
Der Maus sei es aber nach einer Woche massiv schlechter gegangen. Ich lasse mir Bilder und Videos zeigen und sehe tatsächlich eine käsebleiche, sehr ruhige Maus. Ein Bild, das ich als Nebenwirkung von Nuflor durchaus kenne – allerdings erst nach 4 Wochen Gabe oder länger, also nach einem Zeitraum, in dem die übliche Antibiose längst beendet ist.
Me wundert sich und fragt nach: “Dosis?” Erstaunte Rückfrage: “Ja, wie Dosis? Sie bekommt es morgens und abends.” Nach einigem Hin und Her ist klar: Mausi bekam fast die dreifache Dosis oral. Nuflor sollte man nach Möglichkeit aber wirklich spritzen und seeeehhhhr genau auf die korrekte Dosierung achten, da schon leichte Überdosen genau das präsentierte Problem provozieren.
Fazit dieses Falles: Solche “Ungenauigkeiten” verfälschen die Nebenwirkungsstatistik und das schadet der gesamten Haltergemeinschaft. Wir sind auf korrekte Gaben und Berichte angewiesen, um aus der praktischen Erfahrung das zu lernen, was in Büchern nicht steht. Außerdem find ich es nicht fair, so einen Mist zu fabrizieren und es dann dem Tierarzt in die Schuhe zu schieben.
Ein trauriges Beispiel hat mir dieses Jahr Panacur geliefert. Eine Familie sollte damit ihre beiden – klinisch unauffälligen – Mongolen behandeln. Die hatten Nematoden, wie bei einer Kotprobe herauskam. Bei mir lief die Mama der Familie auf, nachdem eine Maus schon gestorben war. Der anderen ginge es furchtbar schlecht.
Die Mäuse waren mit Panacur mit der Dosierung und dem Behandlungsschema aus der Mäusebibel (Glöckner/ Ewringmann 😉 ) behandelt worden. Warum sich der Tierarzt für Panacur entschieden hat, ist mir immer noch ein Rätsel.
Ich hangle mich also durch. Dosierung korrekt. Gabeturnus korrekt. Tiere vor Behandlung fit. Der Verfall begann ab dem 3. Gabe-Tag. Weitere Vorerkrankungen waren nicht bekannt. Somit wandert dieser Fall ab in meine Hinterkopfstatistik.
Auch Ihr könnt helfen, echte Nebenwirkungen zu finden, damit die Lücken in der Literatur geschlossen werden können. Dafür solltet Ihr immer die folgenden Angaben notieren:
Damit helft Ihr nicht nur Euren Tieren, sondern auch anderen Haltern – und rettet vielleicht sogar ein Leben.
Veterinärmedizin ist einer der komplexesten Studiengänge überhaupt. Da können selbst Humanmediziner einpacken und die müssen schon fies viel lernen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Manchmal frage ich mich nur, warum man dafür überhaupt studieren muss, wenn das doch eigentlich ganz einfach ist. Das zumindest könnte man meinen, wenn man mal so in die üblichen Facebook-Gruppen schaut. Kaum kommt jemand mit einem medizinischen Problem ums Eck, schnippen mindestens fünf Schlaumeier aus irgendeinem dunklen Kellerverlies und wissen ganz genau, was zu tun ist, weil das bei ihnen ja soooo gut funktioniert hat und das bei ihnen eben immer so war.
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