Angst als Verhalten bei Mäusen

Angst im Überblick

Angst kann leicht übersehen werden, aber auch akustisch und optisch sehr markant zutage treten. Sie löst beim betroffenen Tier je nach Situation akuten oder chronischen Stress aus. Damit ist Sie ein Verhaltensaspekt, die die Gesundheit der Tiere langfristig beeinflussen kann.

Das sollten Sie über Angst als Verhalten wissen

Angst ist ein überlebensnotwendiges Verhalten für das Fluchttier Maus und eines, das die Nager nicht unterdrücken oder vermeiden können, da Angst unbewusst entsteht. An der Entstehung dieses Gefühls sind mehrere Hirnbereiche beteiligt, die Umwelteindrücke als Bedrohung oder harmlos klassifizieren, bedrohliche und angstauslösende Situationen speichern und entsprechende Reaktionsketten auslösen.

Eine zentrale Struktur ist bei der Angstentstehung die Amygdala oder Mandelkern. Hier treffen Informationen aus anderen Hirnteilen – genauer dem präfrontalen Cortex, Hippocampus und Thalamus – ein, werden verarbeitet und an andere Hirnstrukturen weitergegeben. So stimuliert die Amygdala den Hypothalamus, der den Blutdruck erhöht und Stresshormone ausschüttet. Außerdem gibt er Informationen an den Hirnstamm und Teile des Mittelhirns weiter, die für Schreckstarre und Schreckreaktionen zuständig sind. Gleichzeitig regulieren Teile der Amygdala Verhaltensweisen wie den Richtungswechsel bei einer Flucht.

Die Angstreaktion läuft zwar unbewusst ab. Jedoch kann Angst auch gelernt werden. Das Furchtgedächtnis speichert Situationen, die unangenehm oder bedrohlich waren, und kann zu einer Angstreaktion führen, wenn diese Reize wiederholt auftreten. Nach einigen Wiederholungen hat das Tier die Angst darauf gelernt.

Angst beeinflusst außerdem die Gruppendynamik wesentlich und ist deshalb vor allem in Vergesellschaftungen ein Problem, das schon in der 1. Stufe gelöst werden sollte. Andernfalls zerfällt die Gruppe später oft, weil durch die Angst Spannungen und schließlich Aggressionen in der Gruppe entstehen können.

Angst im Überblick
Neugier und Angst bei einer Farbmaus
Ohren leicht nach hinten, Körper aber vom Untergrund abgehoben: "Ich hab ein bisschen Angst, aber neugierig bin ich doch."
Exkurs: Chronischer Stress durch chronische Angst

Der Fehler: Farbmäuse werden in einem flachen, sehr karg eingerichteten Käfig mit Laufrad gehalten.

Die Folge: Die Mäuse sitzen quasi auf dem Präsentierteller. Für Fluchttiere ist mangelnder Unterschlupf immer ein Angst- und damit ein Stressauslöser, da sie sich vor potenziellen Fressfeinden bei Bedarf nicht verstecken können. Geht regelmäßig jemand am Käfig vorbei, erhöht das das Angst- und Stresspotenzial umso stärker, a) je öfter jemand vorbei geht und b) je weiter unten der Käfig im Raum steht.

Das Problem: Die Mäuse kauern zusammen in ihrer Panik – und tun sonst nichts, was der Halter als Angst beobachten und interpretieren kann. Mangels wahrnehmbarem Verhalten wird die Angst bei den Mäusen also schlicht übersehen. Wird die Situation zum Dauerzustand, werden die Nager dann wahrscheinlicher krank und können bei entsprechender Länge und Intensität der Haltung in ungenügender Deckung sogar verfrüht versterben.

Die Lösung: Sorgen Sie bei Fluchttieren wie Mäusen immer dafür, dass diese ausrechend Deckung vorfinden. Kahle Käfige mit einem oder (wie vor allem in Futtertierzuchten zu sehen) gar keinem Unterschlupf sollten Sie unbedingt vermeiden. Müssen Sie bei streitenden Farbmausböcken alles rausnehmen und knallt es selbst bei einer Handvoll Heu, sollten Sie so schnell wie möglich für einen Kastrationstermin sorgen. Bis die erhitzten Gemüter sich beruhigt haben, sollten Sie den Käfig mindestens auf Brusthöhe aufstellen. So reduzieren Sie Angst und Stress zumindest.

Was sagt mir dieses Verhalten?

Angst ist ein natürliches Verhalten. Wie sichtbar sie bei Mäusen wird, ist zum Teil eine individuelle Charakterfrage. Es gibt von Natur aus ängstlichere Typen. Diese Tiere sind meist insgesamt eher vorsichtiger und in Vergesellschaftungen oft zurückhaltend, mitunter sogar abwehrend.Bei diesen Tieren müssen Sie nur in der Vergesellschaftung entsprechend reagieren und passende Partnertiere auswählen. Dann sind auch eher ängstliche Mäuse wundervolle und glückliche Haustiere.

Häufiger bleibt Angst unsichtbar. Das ist vor allem bei Haltung ohne adäquate Deckung, aber auch bei einem falschen Stellplatz des Geheges (z. B. häufige, plötzliche Geräusche, Standplatz auf dem Boden, etc.) der Fall. Die Mäuse ziehen sich zurück oder sind ohne Häuschen auffallend ruhig und bei der Bewegung im Gehege eher unsicher. Angstverhalten kann also auch auf Haltungsfehler hinweisen. Werden diese behoben, entspannen sich die Mäuse in der Regel von allein.

In seltenen Fällen ist Angst die Komponente einer Verhaltensstörung. Sie betrifft dann vor allem Mäuse, die durch lange Einsamkeit Angst vor Artgenossen und sozialen Herausforderungen wie Berührung haben. Diese bedauernswerten Kreaturen zeigen beim Kontakt mit anderen Mäusen ein Verhaltensspektrum von extremer Panik bis hin zu aggressiver Vorwärtsverteidigung aus Angst vor dem Gegenüber. Diese Verhaltensweisen lassen sich nur langsam abbauen, beispielsweise durch Streichelterapie oder durch die Resozialisierung über eine andere Mäuseart. Wenn Sie noch nicht viel Mauserfahrung haben, suchen Sie für den Umgang mit solchen Mäusen am besten die Beratung durch sehr erfahrene Halter. Diese können Sie und Ihren Schützling Schritt für Schritt individuell begleiten.

Checkliste Angst
Angst wegen mangelnder Deckung
Ist keine Deckung vorhanden, versuchen Mäuse oft, sich unter Artgenossen zu verstecken. Diese Komposition sagt deutlich: "Wir haben schreckliche Angst!"

Angst & Aggression in der Vergesellschaftung: Hier geht eine Maus aggressiv auf einen neuen Partner los. Das Opfer fiept hörbar, zeigt Abwehrtritte und hebt die Vorderpfoten abwehrend. Dieses Verhalten sollten Sie immer unterbrechen. Andernfalls schaukeln sich die Nager immer weiter hoch, bis die Vergesellschaftung komplett scheitert. Nehmen Sie den Aggressor notfalls für einige Zeit raus oder separieren Sie ihn mit einem Gitter.

Angst als Dynamik in der Vergesellschaftung: Hier zeigt die Schecke deutliches Angst- und Abwehrverhalten mit Aufrichten, nach vorn gestreckten Vorderpfoten, angelegten Ohren und hörbaren Lauten. Die andere Maus reagiert anfangs souverän, später selbst unsicher und fast ängstlich. Diese Dynamik sollten Sie immer beobachten. Unterbrechen Sie sie, wenn sich die Partner sichtbar weiter hochschaukeln, aber belassen Sie beide Tiere im Behälter.

Bleiche Rennmäuse in der Vergesellschaftung: Bei der rechten Maus sehen Sie ein deutliches Angstverhalten und hören auch die Abwehrlaute.  Deutlich sichtbar: Das Bewegungs- und Verhaltensmuster unterscheidet sich signifikant von den Farbmäusen der anderen beiden Videos. Angstverhalten ist nämlich arttypisch unterschiedlich. Bei Bleichen Rennmäusen ist das gezeigte Verhalten moderat ängstlich. Eine Prognose über den weiteren Vergesellschaftungsverlauf lässt es nicht zu.

Folgen bei Interpretationsfehlern

Angst ist vor allem bei Vergesellschaftungen und bei Störungen der Gruppendynamik von großer Bedeutung. Leider werden ausgerechnet die ängstlichen, manchmal schon panischen Individuen vom Halter als aggressiv wahrgenommen. Das passiert vor allem dann, wenn die Mäuse aus Angst in die Vorwärtsverteidigung gehen und Halter und/oder Artgenossen beißen. Aber auch Abwehrhaltungen werden oft als Aggression fehlinterpretiert.

Die logische Folge: Die Maßnahmen für Ruhe in der Gruppe oder eine erfolgreiche Vergesellschaftung fruchten nicht. Oft verstärkt sich das Problem sogar und nicht selten werden Angsttiere dann als problematische “Aggros” abgegeben – nur um in der nächsten Gruppe nur allzu oft vor demselben Problem zu stehen. Deshalb sind Angstmäuse neben echten “Aggros” überdurchschnittlich häufig “Wanderpokale”. In seltenen Fällen ist der Stress für die Paniker auch zu viel und sie versterben an einem Kreislaufkollaps.

Techniken, die bei aggressiven Mäusen gut fruchten, führen leider bei ängstlichen Tieren zum Gegenteil. Nehmen Sie etwa das ängstliche Tier für 24 h raus oder setzen Sie die Vergesellschaftung auf der Streu der Gruppe neu an und führen das Angsttier einzeln zur Gruppe, verstärkt das die Angstreaktion nur. Manche Tiere werden sogar erst durch eine solche Behandlung zu Angstbeißern.

Oft entsteht noch ein zweites Problem durch die zusätzliche Verunsicherung: Sie destabilisieren den Angstpatienten so weit, dass Gruppenmitglieder, die vorher nicht aggressiv auf die Angst reagiert haben, genau das jetzt tun. Die Folge: Es kommt dann wirklich zu Aggressionen – allerdings gegen die Angstmaus, soweit diese nicht ins Angstbeißen verfällt.

Aus diesen Gründen ist die sichere Unterscheidung von Angst und Aggression beim Umgang mit sozialen Tieren wie Mäusen so wichtig.

Folgen der Fehlinterpretation
Sinai-Stachelmaus hat keine Angst
Ohren nach vorn, selbstbewusste Körperhaltung, Körper vom Boden abgehoben: "Ich bin neugierig und habe keine Angst vor Dir."

Quellen:

medizin.info
spektrum.de
Max-Planck-Institut für Psychiatrie

Videoquellen:

Angst & Aggression: Steffi Moser
Angstdynamik in der VG: Janina Ibkendanz
Bleiche Rennmäuse in VG: Mäuseasyl


Letztes Update: 28.12.2021