Und so lautet ein Beschluss, dass der Mensch was lernen muss. Das wusste schon Wilhelm Busch und das ist heute nicht anders, wenn man seine Brötchen mal selber verdienen will. Aber womit will man seine Brötchen eigentlich verdienen? Oder besser, womit KANN man es? Wollen würde ich nämlich vieles.
Mein liebes Kathrinchen, Telephonseelsorge, 24-Stunden-Frustmüllhalde und beste Freundin der Welt, hat mir sogar schon eine sadistische Ader unterstellt, nur weil ich es total spannend fände, als Personal Trainer den letzten Schweißtropfen aus meinen Kunden zu kitzeln. Ob ich nicht gleich im Sado-Maso-Studio anfangen wolle.
Dass sie diese Idee wohl doch nicht ganz ernst meint, fiel mir erst auf, als meinem Herz von bester Freundin die Gesichtszüge leicht entgleisten, während ich ihr furztrocken mitteile, dass es mich überhaupt nicht reizen würde, winselnde Manager für viel Geld in Käfige zu sperren. Ob ich sowas ernsthaft als Beruf ansehen würde. Bei mir definiert sich ein Job dadurch, dass es Zeit und Einsatz kostet und dafür Geld einbringt. Das ist auch in einem Dominastudio gegeben. Also ist es auch ein Job, belehre ich Kathrinchen.
Vernünftig, wie meine Busenfreundin nun mal ist, versucht sie mich ganz sanft in Richtung Bürokauffrau oder BWL-Studentin zu schieben. Ähm, das ist ja wirklich lieb gemeint – aber es hat ja auch Gründe, warum man die lieb gemeinten Geschenke nach Weihnachten in Tauschbörsen schnellstmöglich wieder loszuwerden sucht. Ähnlich ist es mit lieb gemeinten Jobvorschlägen.
Dieselbe Idee hatte man dann auch auf dem Arbeitsamt – Tschuldigung, in der Agentur für Arbeit. Aber eigentlich fände ich Bestatter schon viel interessanter. Wie ich denn auf das schmale Brett käme, starrt mich meine Beraterin entgeistert an. Man müsse als so junges Mädchen den Gruftiwahn doch nicht gleich so übertreiben, meint sie mit einem pikierten Blick auf meinen nagelneuen Bondagerock mit Skullnieten. Irgendwie scheint sie mir auch nicht abzunehmen, dass die Idee gar nicht auf meinem Mist gewachsen ist, sondern auf dem Dunghügel eines lieben, aber völlig ungruftigen Freundes. Aber gut, da sprießen ja so einige Ideen, die ich meistens unter „interessant“ ablege, auch wenn andere sie eher unter Wahnwitz oder Hirnschiß in den kreativen Giftschrank wegschließen möchten. Auf jeden Fall sind seine Ideen um Längen besser als die meiner sogenannten Arbeitsberaterin. Verwaltungsfachangestellte. Glaubt die ernsthaft, ich weiß nicht, dass das auch nur ein Euphemismus für Aktenschubser und menschliche Staubwedel ist? Dann vielleicht Sekretärin? Oder Grundschulpädagogin? Frustriert verlasse ich nach geschlagenen drei Stunden die genauso unerfreuliche wie unproduktive Örtlichkeit.
Jetzt ein paar leckere Rouladen bei Mama abgreifen und die Welt sieht gleich wieder besser aus. Und dann vielleicht zu Jo. Jo? Na, Ihr wisst schon, der mit dem äußerst fruchtbaren Dunghügel. Inzwischen rächt es sich, dass mir die Tante auf dem Arbeitsa… äh, in der Agentur für Arbeit das Hirn so weich gequatscht hat. Niemals hätte ich sonst den Fehler begangen, mit Mama eine kleine Vorsortierung meiner wild wucherndern Jobpläne vornehmen zu wollen. Ja, Mama, ich hab Abitur. Und nein, Mama, ich muss deshalb nicht studieren. Doch, Mama, ich fänd Schreiner als Ausbildung echt spannend und nein, nicht nur wegen der Sargschreinerei. Immer diese Vorurteile überbesorgter Eltern. Als ich die Flucht vor der Maschinengewehrsalve an guten Ratschlägen antreten will, ist es bereits zu spät. Ich sitze brav am Tisch vor meinem vollen Teller. Reinschlingen und Abhauen kann ich Mama als vorbildliche Tochter dann doch nicht antun. Also sitze ich brav wie ein begossener Pudel unter dem verbalen Wasserfall – zwei Stunden lang.
Als ich dann endlich Jos Chaosbude entgegen trabe, hat mein Kopf gefühlt die Konsistenz von Wackelpudding und ich bin nach insgesamt fast acht Stunden mit meiner Karriereplanung noch keinen Schritt weiter. In Erwartung von etwas Mitleid klingle ich an seiner Tür. Keine Reaktion. Nanü? Sollte er nicht eigentlich zu Hause sein? Nach längerem Suchen auf dem ebenso kreativ geordneten – manche Leute nennen das auch das Bombeneinschlagsystem – wie großen Grundstück fische ich meinem Busenkumpel in der Garage aus einem Berg an Werkzeug, Fliesenkisten und Estrichsäcken. Doch statt Mitleid ernte ich zur Begrüßung ein liebevoll-spöttisches Grinsen. Ob ich bei Mama gewesen sei. Und ob ich sie in meine Jobpläne eingeweiht habe. Ich sähe etwas mitgenommen aus. Danke, Jo!
Irgendwann zementier ich ihn mit seinem eigenen Kram für so viel Liebe zu meiner Person mal in einem Keller ein. Aber bis dahin hat er die hochoffizielle Aufgabe, mein Kopfchaos zu lichten und daraus eine brauchbare Idee zutage zu fördern. Gemeinsam wühlen wir also nach der Ausbildungsnadel im Berufeheuhaufen und vernichten nebenbei noch mindestens zwei Kilo Schokolade.
Irgendwie gibt es mir ja schon zu denken, wenn selbst Jo meint, ich solle doch meine Brötchen mit meinem Mundwerk verdienen – da hätte ich bei meiner großen Klappe die besten Chancen auf Erfolg. Ja, ich hab ihn wirklich lieb. Deshalb darf er sowas sagen, ohne von Dolchblicken durchbohrt zu werden.
Leider gibt es Zyniker oder Nörgelprofi noch nicht als anerkannte Ausbildungsberufe. Also einigen wir uns darauf, uns in den nächsten Tagen mal die schreibende Zunft der Journalisten als potentielles Betätigungsfeld meines nicht zu bremsenden Mitteilungsbedürfnisses näher zu betrachten.
Ergebnis der Fahndung: Wenn schon sticheln und nörgeln, dann aber bitte mit akademischem Niveau. Klein-Sarah wird Journalistik studieren. Ob das aber die Frage des Brötchenverdienens jetzt endgültig löst oder wir in 4 Jahren wieder Schoki futternd am Tisch sitzen und zahllose Ideen zu teils bizarren Szenarien verspinnen, bleibt allerdings abzuwarten …