Die Klingel schellt, ich schaue auf den Wecker. 7.12 Uhr!? Wer bitte weckt einen Studenten zu solch unchristlicher Zeit – und das auch noch auf den Sonntag??? Da hilft nur eins: Ignoranz! Oder auch nicht… Nach dem dritten Schellen gebe ich auf, winde mich in mein Hauskleid und schlurfe zur Tür.
„Ich wusste doch, dass Du da bist!“
„Ich wünsch Dir auch einen guten Morgen, Kathrinchen. Was gibt es denn zur dieser Unzeit soooo wichtiges?“
Die Miene meiner Freundin gefriert zu einem massiven Gletscher: „Männer!“ Oh je! Ich ziehe schon mal prophylaktisch den Kopf ein, auch wenn ich kein Mann bin. Das kann ja
heiter werden. „Dann komm mal rein …“ Während mein Herz von Freundin sich auf meine Couch schmeißt und mein Lieblingssofakissen misshandelt, mache ich uns in der Küche einen schönen, heißen Tee. Baldrian, Melisse und Johanniskraut. Sicher ist sicher! „Hat er sich gestern etwa nicht benommen?“, hake ich vorsichtig nach und reiche ihr eine Teetasse. „Nein, hat er nicht“, zischt mein Kathrinchen mit einer Stimme, dass die Raumtemperatur spontan um zehn Grad sinkt. Ups.
„Was hat er denn diesmal angestellt? Unmögliche Klamotten? Gesoffen wie ein Loch? Oder gar andere Weiber angebaggert, während Du daneben standest?“ Böse Szenarien entstehen in meinem Kopf. Robert ist zwar meistens ein ganz Netter und für einen Mann durchaus ganz brauchbar, aber er hat so ein fatales Talent für völlig idiotische Fehltritte und wirklich klassische Fettnäpfchen. Bei letzteren scheint mir immer, er achtet penibel darauf, auch ja keins auszulassen. „Weder, noch“, reißt mich die Permafroststimme meiner Freundin aus meinen Überlegungen.
Nicht? Jetzt bin ich aber doch neugierig. So viel mehr kann man(n) doch gar nicht falsch machen, wenn er sich mit seiner Angebeteten in der Disco trifft. Erwartungsvoll schaue ich meine
wutschnaubende Freundin an.
„Sondern? Hat er sich echt mal was neues einfallen lassen?“ „Ja, hat er!“, faucht Kathrinchen in einem Ton, dass ich anfange, mir Sorgen um Roberts
Gesundheit zu machen.
Mit tellergroßen Augen erfahre ich dann, dass es dieser dumme Wichser doch tatsächlich gewagt hat, Kathrin zu versetzen. Der Idiot habe wohl noch was zu tun gehabt, auch wenn sie sich ernsthaft frage, was für diesen lahmarschigen Deppen wohl wichtiger sein könnte. So ein Vollpfosten, sich sowas nicht vorher zu überlegen. Wenn sie den Armleuchter in die Finger kriege, könne er sich verdammt warm anziehen.
Na ja, wage ich dazwischen einzuwerfen, mal allein in die Disco zu gehen, sei ja noch kein Weltuntergang. Rasiermesserscharfe Blicke erdolchen mich fast für diesen Kommentar. Nein, meint
meine liebe Furie … äh … Freundin, sie komme auch mal ohne den Schwachmaten in der Disco aus. Aber wie ich sicher wisse, komme sie nun mal mitten in der Nacht nicht ohne ihn nach
Hause.
Mir schwant Böses. Der „geistig minderbemittelte Tiefflieger mit dem IQ einer Amöbe“ hat doch nicht etwa vergessen, sie abzuholen? Doch, hat er, wie ich dem Schwall übelster Beschimpfungen entnehmen darf. Das würde ja bedeuten, sie wäre eben erst nach Hause gekommen. Zu Fuß ist die Disse nämlich doch ein ganz gutes Stück weg. „Und warum bist Du dann…“ „… jetzt nicht im Bett!?“ Kathrins Stimme verrutscht vor Wut nochmal eine Oktave nach oben. Ich verkneife mir jeden Ton und nicke nur mit eingezogenem Kopf.
„Dreimal darfst Du raten, welcher Primat in unserem Bett liegt, tief und selig schnarcht, keine Klingel hört – und den Schlüssel hat von innen stecken lassen!?“ Autsch! Also diesmal hat er ja echt voll zugelangt.
„Du weißt aber schon, dass Mord in Deutschland immer noch ein Kapitalverbrechen ist?“, versuche ich meine Liebste wieder etwas runterzuholen. Mord gelte aber nur für die vorsätzliche Tötung von Menschen, nicht für die Notschlachtung dämlicher Rindviecher, werde ich belehrt. Und überhaupt sei Frau ohne dieses missgestaltete Vorkommnis namens Mann viel besser dran. Keine Socken mehr im Flur, keine plötzlichen Termine, kein Männerabend, von dem sie ihn abholen muss, weil er nicht mal mehr seine Adresse fürs Taxi weiß, keine aufdringlichen Annäherungsversuche mehr zu den unmöglichsten Gelegenheiten und und und … Wenn Kathrin so richtig in Fahrt ist, kann ich mit meinen sporadischen Anflügen von Männerhass echt einpacken. Vom Schimpfwortschatz mal gar nicht zu reden.
Aber sie gleich ganz abschaffen? Geht das dann nicht doch ein bisschen weit? Wer geht dann morgens Brötchen holen, wenn draußen das Mistwetter tobt? Und wer erschlägt dann nachts diese verdammte Mücke, die mich den letzten Nerv kostet mit ihrem Gesumme? Und noch viel wichtiger: Wer wärmt mein Bett vor und meine Eisfüße an, damit ich gemütlich einschlafen kann? Und wer, bitteschön, sägt das Laminat für den neuen Fußbodenbelag? Und und und … So unpraktisch sind Männer gar nicht. Brötchenautomat, Fliegenklatsche, Heizkissen und Handwerker in Personalunion. Nicht, dass ich das nicht alles selber könnte. Aber es hat schon was, so ein multifunktionales Haustier zu haben. Frau muß es eben nur besser erziehen
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