Polyoma-Virus bei Hamstern

Das Polyoma-Virus des Syrischen Goldhamsters (Mesocricetus auratus) wird nur selten als Verdachtsdiagnose gestellt. Über die Verbreitung und die Auswirkungen des Virus in der Haustierpopulation gibt es bisher keine Untersuchungen. Der nachfolgende Artikel stützt sich also hauptsächlich auf wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Labortieren sowie auf Erfahrungsberichte von Haltern und erfahfrenen Pflegestellen.

Ursachen: Polyoma-Viren beim Hamster

Polyoma-Viren sind eine Virusfamilie mit zahlreichen Mitgliedern, die recht verschiedene Tiere und auch den Menschen befallen. Bei Hamstern – und hier explizit beim Syrischen Goldhamster – kann bei einer Infektion das Hamster-Polyoma-Virus, kurz HaPyV (oder missverständlich bzw. veraltet HaPV), nachgewiesen werden. Das natürliche Reservoir sind vermutlich ursprünglich Feldhamster. Bei dem Virus handelt es sich um ein unbehülltes, onkogenes DNA-Virus.
Erstmals nachgewiesen wurde das Hamster-Polyoma-Virus in Deutschland in Berlin in den 1960ern bei einem Laborstamm Syrischer Goldhamster. In den Haustierpopulationen ist erst ein Fall aus dem Jahr 2001 im englischsprachigen Raum wissenschaftlich dokumentiert. Die reale Verbreitung des Virus in der Haustierpopulation im deutschsprachigen Raum ist nicht bekannt. Verdachtsfälle sind in der Praxis zwar selten. Rother stellt jedoch fest, dass das Virus auch bei Heimtieren regelmäßig auftritt.

Ursachen im Überblick

Übertragung von Polyoma-Viren

Das für Syrische Goldhamster hochansteckende Virus überdauert sehr wahrscheinlich im Nierengewebe. Die Übertragung des Polyoma-Viruses erfolgt deshalb hauptsächlich über den Urin oder damit verunreinigte Oberflächen oder Futtermittel. Bei erwachsenen Tieren können außerdem Epithelzellen im Kot oder direkt von der Haut zur Infektionsquelle werden. Auch Bisse oder Putzverhalten können zu einer Infektion führen. Eine Übertragung von der Mutter auf die Jungtiere bei der Geburt scheint dagegen nicht möglich. Allerdings stecken sich die Jungtiere dann in der infektösen Umgebung schnell an.

Nachfragen bei Fachleuten zur Infektiosität des Polyoma-Virus für andere als Haustiere gehaltene Hamsterarten förderten leider keine eindeutigen Erkenntnisse zu Tage: Erkrankungen seien den Befragten zwar nicht bekannt. Ausschließen ließe sich eine Infektionsgefahr aber auch für die Gattungen Phodopus (Dschungaren, Campbell- und Roborowski-Zwerghamster) und Cricetulus (Streifenhamster) nicht sicher.
Erfahrungen von Haltern zeigen aber, dass zumindest die Gattung Phodopus für das Virus empfänglich scheint. So wurde die Infektion schon bei Dschungarenhybriden festgestellt. Das legt nahe, dass auch Campbell- und Roborowski-Zwerghamster dafür empfänglich sind. Für die Gattung Cricetulus ist die Frage Stand heute (27.08.23) nach wie vor ungeklärt. Eine Studie legt aber nahe, dass Streifenhamster begrenzt empfänglich für das Virus sind, es ausscheiden können, jedoch keine Symptome entwickeln.

Übertragung im Überblick
Hautveränderungen bei einem Dschungarenhybriden durch das Polyoma-Virus

Symptome durch das Hamster-Polyoma-Virus

Das Polyoma-Virus hat eine besondere Affinität zu einem bestimmten Typ der Hautzellen, den sogenannten Keranozyten und zu einem Zelltyp des Blutsystems, den Lymphozyten. Es verursacht bei Hamstern Leukämie, Lymphome und Epitheliome.

Wie sich die Krankheit genau äußert, hängt unter anderem davon ab, ob das Virus in einer Population endemisch ist oder die Hamster aus einer virusfreien Population stammen. Lymphome entwickeln vor allem Hamster aus vorher virenfreien Populationen, während Tiere aus endemischen Populationen vor allem Hautveränderungen zeigen. Jedoch treten die möglichen Tumorformen nur sehr selten zusammen auf.

Tumore der Haut durch das Hamster-Polyoma-Virus

Hautläsionen treten vor allem bei Hamstern aus endemisch infizierten Populationen auf. Hier führt das Polyoma-Virus zu Epitheliomen vor allem im Gesicht und an den Füßen, aber auch am Rücken, den Flanken und am Bauch. Erste Hautveränderungen können hier schon im Alter von etwa 3 Monaten auftreten, teils jedoch schon deutlich früher, wie praktische Erfahrungen zeigen. Manche Tiere entwickeln die ersten Veränderungen aber auch erst mit 1 Jahr und mehr, wie die Studien aus dem Jahr 1967 an den Tieren von Berlin-Buch und Potsdam zeigten.

Veränderungen betreffen vor allem die Zellen der Haarfollikel, sodass Trichotheliome entstehen – eine Tumorart, die bisher nur im Zusammenhang mit dem Hamster-Polyoma-Virus beschrieben sind. Dabei treten kleine, teils immer größer werdende, haarlose Knötchen in den betroffenen Hautbereichen auf. Mitunter fließen diese einzelnen Knötchen zu großflächigen Läsionen zusammen. Die Hautbereiche können auch typische Zeichen einer chronischen Entzündung zeigen.

Weitere Tumore durch das Polyoma-Virus

Stecken sich junge Hamster aus nicht vorbelasteten Linien mit dem Polyoma-Virus an, erkranken diese vor allem an Lymphomen (< 50%), aber auch an Sarkomen (8%) und Mesotheliomen (2%). Die seltenen Mesotheliome betreffen Weibchen häufiger als Männchen. Auch Leukämie kann auftreten.
Die Lymphome können sich unter anderem im Gekröse und dessen Lymphknoten, im Dünndarm, in der Milz, der Leber, den Nieren und der Thymusdrüse manifestieren. Auch periphere Lymphknoten können betroffen sein. Klinisch fallen diese Tiere durch unterschiedliche Symptome auf – je nach betroffenem Organ. Typischerweise treten aber häufig Gewichtsverlust, Atemprobleme und Dehydration auf. Mitunter kann der Tierarzt auch Zubildungen ertasten.
Nur selten treten bei dieser Gruppe von Hamstern Hautveränderungen auf, die für die endemische Variante bei adulten Tieren typisch sind.
Bei den Versuchen mit den jungen Tieren in Potsdam in den 1960er Jahren zeigte sich, dass die Erkrankung etwa 4 bis 8 Wochen nach der Infektion bei 30 bis 80% der neu infizierten Tiere zeigt. Die Sterblichkeit lag bei 80% innerhalb von 4 bis 30 Wochen.

Symptome im Überblick
Neoplasien beim Goldhamster durch das Polyoma-Virus
Neoplasien am Bauch und in der Anogenitalregion durch das Polyoma-Virus bei einem Goldhamster
Dschungarenhybride mit Veränderungen durch Polyoma-Virus am Maul
Dschungarenhybride mit Veränderungen durch Polyoma-Virus am Maul

Diagnose Des Polyoma-Virus beim Hamster

Das Polyoma-Virus ist oft eine Verdachtsdiagnose, die bei Tieren mit Hautveränderungen gestellt wird. Wird verdächtiges Gewebe eingeschickt, lassen sich in der Histologie Veränderungen durch Lymphome in den betroffenen Geweben feststellen. T- und B-Lymphozyten sind dann ungewöhnlich groß und unreif.

Die Viren selbst ließen sich den Quellen nach in den Epitheliomen und hier in den obersten Zellen der Haut, denen des sogenannten Stratum corneum, nachweisen. In den tiefer liegenden Schichten des Stratum basale (Basalzellschicht) und des Stratum spinosum (Stachelzellschicht) waren keine Viren nachweisbar. Vor Ausbruch der Krankheit finden sich die Viren vor allem in der in den Nieren, aber auch in der Thymusdrüse und in der Milz.
Mit PCR nachgewiesen werden können befallene Zellen außerdem im Jenjunum, einem Teil des Dünndarms sowie bei den Lymphozyten.

Möglichkeiten der Diagnose
Typische Ergebnisse der Anamnese:
Weitere Untersuchungen:
Differentialdiagnosen:

Behandlung des Polyoma-Virus bei Hamstern

Ursächlich sind die Erkrankungen durch das Polyoma-Virus bei Hamstern nicht behandelbar. Von Leukämie oder Lymphomen betroffene Tiere können nur zu gegebener Zeit eingeschläfert werden.
Bei Zubildungen der Haut kann eine chirurgische Entfernung derselben im Zweifel die Lebensqualität verbessern und mehr (lebenswerte!) Lebenszeit gewinnen. Der Tumor kann nach einer OP abr auch schon in Kürze mit schnellem Wachstum zurückkehren. Je nach genauem Befund steht aber auch bei Hautveränderungen am Ende die Euthanasie.
Außerdem sollten Sie eine Schmerztherapie mit Ihrem Tierarzt besprechen.

Entscheidet sich Ihr Tierarzt für die Entfernung einer Hautwucherung, sollte er vor der Operation in 2 Ebenen den Brustkorb röntgen, um Metastasen in der Lunge auszuschließen. Bei sekundären Entzündungen der Hautveränderungen ist außerdem eine Antibiose angezeigt.

Behandlungsmöglichkeiten
Bewährte Mittel und Medikamente
Desinfektion

Polyoma bei Hamstern vorbeugen

Polyoma ist eine virale Erkrankung. Ob ein Hamster Träger ist, können Sie vorher nicht herausfinden. Eine effektive Prävention gegen Polyoma ist daher nicht möglich.
Beim Ursprungsfall Berlin und den nachgelagerten Versuchen mit Kolonien in Potsdam zeigte sich allerdings, dass das Virus nicht nur die gezielt infizierten Tiere erreichte, sondern auch mit ihnen gehaltene Artgenossen mit nur indirektem Kontakt. Die Hygiene ist bei Polyoma-Verdacht also von besonderer Bedeutung, um das Virus nicht weiter zu verschleppen. Für die Handdesinfektion eignen sich spezielle Desinfektionsmittel, die auch unbehüllte Viren erfassen. Dazu zählt u. a. Sterilium Virugard von Bode. Generell können Sie aber alle als “viruzid” deklarierten Handdesinfektionen verwenden. Wichtig ist hier, dass sie als “viruzid” und nicht als “begrenzt viruzid” oder “begrenzt viruzid PLUS” ausgewiesen sind.

Das Virus ist in der Umwelt stabil. und kann bis zu 18 Monate infektiös bleiben. Das Polyoma-Virus reagiert jedoch empfindlich auf DNasen, auf Phenole und Kaliumhydroxid (KOH). Resistent zeigt es sich dagegen gegen UV-Licht, Formaldehyddämpfe, RNasen, die Proteinase K sowie gegen chlor- und jodhaltige Desinfektionsmittel.
In der Praxis haben sich Desinfektionsmittel wie Rhodasept bewährt, die in ihrem Wirkspektrum unbehüllte Viren erfassen. Hier muss die 25-ige Lösung für mindestens 30 Minuten einwirken.
Alternativ lässt sich das Virus mit Hitze bekämpfen, da es nur bis ca. 50°C über 1 Stunde stabil ist. Ausbacken – sicherheitshalber für 2 Stunden bei 120°C – oder Abkochen von kontaminierten Gegenständen für 1 Stunde bietet also eine Alternative zur Reinigung.
Wenn Sie die nötige Zeit und Räumlichkeiten haben, können Sie die Sachen auch für mindestens 19 Monate ablagern. Am besten verpacken Sie alle Sachen in Säcke und versehen diese mit dem Einlagerungsdatum.

Vorbeugende Maßnahmen im Überblick
Dschungarenhybride mit Hautveränderungen durch das Hamster-Polyoma-Virus am Brustkorb
Dschungarenhybride mit Hautveränderungen durch das Hamster-Polyoma-Vi

Weiterführende Literatur

Fallbericht

Ein etwa 8 Wochen alter, männlicher Goldhamster wurde dem Labor vom Tierarzt übersandt, nachdem er eine Woche zuvor begonnen hatte, Untergewicht, Atembeschwerden und Bewegungsstörungen zu entwickeln. Der Halter berichtete, dass die Mutter des Tieres an eine lokale Schule verschenkt worden war, wo man schließlich feststellte, dass sie tragend war. Im Alter von vier Wochen wurden die Jungtiere zu verschiedenen Adoptanten gegeben. Dieser Hamster war der letzte Überlebende aus dem Wurf von 5 oder 6 Tieren gewesen. Er verstarb während der Untersuchung beim einsendenden Tierarzt. Der junge Goldhamster war dünn (41,75 g) und wies mehrere große, tastbare Massen im Bauchraum auf.

Die erste Untersuchung ergab viele Verwachsungen im Bauchraum sowie eine Vergrößerung der Lymphknoten des Gekröses. Die histologische Einschätzung enthüllte ein polyzentrisches Lymphom der Leber, des Jejunum, der Lymphknoten im Gekröse, des Fettpolsters der Hoden und der Nebenhoden. Basierend auf dem Alter des Hamsters sowie der Verteilung der Lymphome, wurde die Verdachtsdiagnose “polyoma-virus-induziertes Lymphom” gestellt. Es wurde ein spezifischer PCR entwickelt, der diese Diagnose bestätigte. Ein in-situ-PCR zeigte DNA des Hamster-Polyoma-Virus in den Lymphozyten des polyzentrischen Lymphoms und in den Epithelzellen der Nierenkanälchen sowie in Ansammlungen von Enterozyten des Jejunums. Diese Daten sind konsisten, dass das Hamster-Polyoma-Virionen durch das Epithel der Nierenkanälchen in den Urin sowie durch Polyoma-Virionen in Kot in die Umwelt ausgeschieden werden. Weitere Studien halten wir jedoch für angezeigt, um diese Beobachtungen zu bestätigen.

Quelle des übersetzten Textes inkl. Langform: Sage Journals

Links

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Quellen

Wikipedia.org – EN
Wikipedia.org – DE
Beipackzettel Rhodasept
DORA – Hamster Polyoma Virus
Ford, Denys K.; Boguszewski, Christina; Auersperg, Nelly: Journal of the National Cancer Institute: Chinese-Hamster Cell Strains In Vitro: Spontaneous Chromosome Changes and Latent Polyoma-Virus Infection, Volume 26, Ausgabe 3, März 1961, S. 691ff.
Jandrig, Burkhard; Krause, Hans; Vasiliunaite, Emilija, et Al. (Autoren); Moore, Patrick S. Moore (Hrsg.): Hamster Polyomavirus Research: Past, Present, and Future, MDPI 2021
Springer Link – DNA Tumor Viruses – The Hamster Polyoma Virus

Adams, Michael J.; King, Andrew M.Q.; Lefkowitz, Elliot J. Lefkowitz, et al. (Hrsg.): Virus Taxonomy – Ninth Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses, AP 2011; S. 279 ff.
Anderson, Lynn C.; Fox, James G.; Whary, Mark T.; et al. (Hrsg.): Laboratory Animal Medicine, 3. Ausgabe, AP 2015; S. 225
Ewringmann, Anja; Glöckner; Barbara: Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus; 2. überarbeitete Auflage, Enke 200, S. 22ff. und S. 225 ff.
Simmons, J. H.; Riley, L. K.; Franklin, C. L.; Besch-Williford, C. L.: Hamster Polyomavirus Infection in a Pet Syrian Hamster (Mesocricetus auratus) in: Veterinary Pathology, Volume 38 Ausgabe 4, Juli 2001, S. 441 ff.
Grosch, Adrian: Dissertation – Virus-ähnliche Partikel auf Basis des Hamster-Polyomavirus als potentielle Träger für den Gentransfer, 2011, S. 21 ff.

Bild- und Videoquellen

Polyoma beim Goldhamsterweibchen: H. Dustmann
Polyoma beim Dschungarenhybriden: B. Häuser

Letztes Update: 31.08.2023