Vor einigen Jahren war es ein gern erhobener Zeigefinger. Heute ist es quasi festzementierte Weisheit: Nadelholz ist böööööööse! Wer seine Tiere liebt, nimmt nix aus Nadelholz, weil damit bringt man sie früher oder später um oder schadet ihnen zumindest gesundheitlich immens. Da frag ich mich doch: Was hat das Nadelholz eigentlich verbrochen, dass sein Ruf so ruiniert ist? Und weil es mich brennend interessiert hat, hab ich mich mal dahinter geklemmt. Hier lest Ihr also jetzt mein Fazit.
Die Wurzel des Übels
Ich habe diverse Leute ziemlich lange ziemlich genervt, wie sie eigentlich auf das schmale Brett kommen, dass Nadelholz so furchtbar schädlich ist. Und da kommen dann unter anderem Harz und ätherische Öle zur Sprache – die ja soooooo krebserregend sind.
Ein wenig weitere Fahnung ließ mich dann dieses Pamphlet ausgraben, das auch einige Leute als Beleg für die These vom bösen Nadelholz anführen – und das prinzipiell gut zusammenfasst, was vor allem die nordamerikansiche Nagergemeinde so zu diesen Hölzern zu sagen hat. Eine etwas ausführlichere, sehr interessante Version davon hat das Tiny Toes Rat Rescue in New Mexiko verfasst. Für die, deren Englisch nicht so gut ist, mal eben zusammengefasst: In dem Kurzpamphlet geht es um die schädlichen Effekte von Nadelhölzern und deren ätherischen Ölen unter anderem auf Leberenzyme. Zudem schreibt es was von Atemwegsproblemen, Allergien und Entzündungen.
Kurz: Es nutzt alle Buzz Words, die auch die deutschen Gegner gern anführen, weshalb ich mir dieses Pamphlet sehr gut als Quelle des Nadelholzmobbings vorstellen kann. Das Fazit heißt denn auch: Es gibt sicherere Hölzer, nämlich Laubhölzer.
Problem klar umrissen. Lösung angeboten. Alles fein, oder? Äääähhhh … Nicht ganz …
Lesen, verstehen, übersetzen
Was auf den ersten Blick nach einem klaren Beleg für die These der Nadelholzgegner aussieht, entpuppt sich als fiese Falle für alle, die entweder keine Leuchte im Übersetzen oder im anwendungsbezogenen bzw. praxisnahen Lesen sind – oder beides.
Von Pinien, Zedern und Fichten
Wenden wir uns erstmal dem Problem mit der Übersetzung zu. Das Pamphlet schreibt explizit von “Cedar” und “Pine”, vor denen die nordamerikanische Nagergemeinde auch quer über sehr viele Webseiten warnt. “Cedar” übersetzt sich simpel als Zeder, “Pine” als Pinie oder Kiefer. Beides kann ohne nähere Spezifizierung verschiedene Baumarten meinen. Da in den Quellen überall ein hoher Phenolgehalt angekreidet wird, gehen wir für diesen Fall mal davon aus, dass es die aromatischeren Vertreter dieser Bäume sind. Hier geht es nämlich um die ätherischen Öle und ihre Bestandteile, die die Hölzer abgeben. Mindestens die Kalifornische Weihrauchzeder dürfte Euch schon mal im Regal der ätherischen Ölfläschen als “Zeder” oder “Zederholz” begegnet sein.
Es dreht sich hier also um Hölzer, die in Nordamerika durchaus üblich sind. Und genau da wären wir schon bei einem Haken unseres Belegs fürs böse Nadelholz. Es kommt nicht aus unserem Kultur- und Wirtschaftsraum. In der Übersetzerausbildung lernt man allerdings: Genau der muss aber beachtet und mit übersetzt werden. Das heißt, in diesem Fall könnte ich als Übersetzer beispielsweise für ein “Pinie” oder “Zeder” ein “die in Nordamerika übliche(n)” setzen, um den Leser mit der Nase reinzutauchen: Nordamerika, nicht Europa! Ja, aber wie isses denn nun in Europa? Da wären wir beim nächsten Punkt.
In Europa sind Weichholzspäne oft aus Fichtenholz gemacht, manchmal auch gemischt mit Tanne oder Kiefer. Die Kiefer meint dann aber eben unsere europäischen Kiefern. Sowohl diese Kiefern, als auch Tanne und Fichte gibt es zwar ebenfalls als ätherische Öle zu kaufen. Wer aber mal genau hinschaut, stellt fest: Das machen die ja aus den Nadeln. Der Grund ist simpel: Das Holz bzw. dessen Harz gibt davon nicht genug her. Es enthält zwar wie so viele andere Pflanzenteile ätherische Öle – aber nur in geringen Mengen. Was hier als Holz für Späne verwendet wird, ist kein Aromaholz. Das merkt Ihr auch, wenn Ihr den Rüssel einfach mal in einen frisch geöffneten Späneballen steckt. Das riecht zwar leicht nach frischem Holz – aber eben nicht intensiv und schon gar nicht unangehm aufdringlich.
Damit wären wir schon bei Punkt eins: Nadelholz ist nicht gleich Nadelholz. Aber man muss beim Übersetzen halt das Gehirn auch benutzen – und nicht nur besitzen.
Von Spänen zu Möbeln
So Manchem ist es beim Lesen vielleicht schon aufgefallen: Bis hierher ging es doch tatsächlich nur um Späne. Bei uns geht es doch aber um Möbel!? Ja, da hat der eine oder andere Gehirnbesitzer beim gebetsmühlenartigen Nadelholzmobbing schon wieder das Benutzen vergessen. Deshalb erschien der Sprung von Spänen zu Möbeln wohl genauso logisch, wie aus nordamerikanischen Bäumen europäische zu machen.
Möbel und Späne haben aber einen ganz entscheidenden Unterschied: Die Oberfläche – und damit die Fläche, die überhaupt ätherische Öle abgeben kann – ist bei Spänen eklatant größer. Deshalb wären Späne also im Zweifel giftiger als Möbel, da sie schlicht mehr der Stoffe abgeben. Nun habe ich aber weder bei den Haustierhaltern, noch bei Zoos oder in Laboren jemanden über heimische Weichholzspäne heulen hören. Ich könnte auch nicht behaupten, selbst an meinen Tieren einen ungünstigen Effekt im Vergleich zu anderen Substraten festgestellt zu haben. Selbst die Hamsterfront, die Nadelholzmöbel gar nicht mag, vergräbt ja ihre Tiere oft ballenweise in Weichholzspänen.
Und da soll das Nadelholz der Möbel soooooo viel schlimmer sein? Eher nicht. Nicht mal, wenn da mal ne Harznase dran hängt, die definitiv einen höheren Ölgehalt hat, als das trockene Holz. Die Begründung mit den schädlichen ätherischen Ölen, die ja die Atemwege angreifen und die Leber schädigen und sooooooo giftig sind, können wir also auch beim billigsten der billigen Nadelholzmöbel getrost wieder einstecken. Die Mengen, die sie abgeben, sind bei einem adäquat belüfteten Gehege einfach uninteressant.
Und spannender Weise hat sich noch niemand weiter über Holzgehege aufgeregt – die quasi auch immer aus Weichholz gefertigt sind. Die Logik zwischen Spänen, Möbeln und Gehegen klemmt also doch ein bisschen (sehr).
Also alles kein Problem?
Doch! Aber das Holz kann herzlich wenig dafür. Nadelholzmöbel sind oft die billigen, mit Rinde beklebten Versionen von Trixi, AniOne und Co. Die sind wahlweise genagelt, getackert oder mit einem Kleber geklebt, über dessen Inhaltsstoffe der Hersteller auf Nachfrage nicht antworten wollte. Heißt also, ich weiß nicht, was der Kleber eventuell für schädliche Stoffe freisetzt. Und wenn die Nager die Nägel oder Tackerklammern freinagen, ist das auch nicht so gesund, wenn sie dran hängenbleiben. Nur kann eben das Holz selber dafür nix. Das wäre immer noch Mist, wenn man es aus Birke, Esche oder sonstwas so bauen würde.
Im Idealfall nehmt Ihr gesteckte Häuschen. Dann müsst Ihr nicht fragen, ob der Leim unbedenklich ist, weil keiner dran ist. Und die Gefahr durch freigelegte Nagel- oder Nadelspitzen entällt ebenfalls.
Fazit
Damit entpuppt sich das böse Nadelholz als ein Klassiker der Urban Legends. Es wird mal wieder alles nur halb so heiß gegessen, wie es gekocht wird – und das Problem liegt in der Verarbeitung, nicht am Holz selbst. Wenn Ihr mal an einer Aromakugel aus Zedernholz riecht, wisst Ihr, wo sie herkommt – und dass das so gar nichts mit den Hölzern zu tun hat, die Ihr hierzulande so im Tierbedarf findet. Schaut also genau hin, wie das Zubehör (oder auch das Gehege) Eurer Lieblinge verabeitet ist. Dann ist die Holzart – zumindest hierzulande – egal.