Es gibt so Momente im Leben einer Pflegestelle, da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dieser Tage hatte ich mal wieder eine solche Begegnung – mit der Leiterin eines österreichischen Tierheims unweit vom schönen Graz.
Satzzeichen sind keine Rudeltiere …
… die meisten Mäusearten schon. Aber dazu später mehr. Wenn man mit einem Tierheim bzw. dessen Leitung konferiert, tut man das mit erwachsenen, vernünftigen Menschen – möchte man meinen. Also lasse ich Frau P. natürlich in die Mäuseasyl-Gruppe auf Facebook, als sie anfragt. Schließlich habe ich von ihrem Tierheim grad einen ganzen Sack voll Tiere übernommen und sie mag sicher verfolgen, wie es mit den Süßen weitergeht.
Ich komme also nichts ahnend in mein virtuelles Wohnzimmer – nur um mit einem Rudel Frage- und Ausrufezeichen übergossen zu werden. 11 Ausrufezeichen und 5 Fragezeichen in 2 Sätzen? Respekt! Dazu eine Sprache, die mich eher an pubertierende Teenager in der Egokrise denken lässt.
Der Essener Farbmausopa Toni sitzt auf meiner Schulter und näselt Richtung Bildschirm. Nein, Toni, nicht Dein Tierheim. Du bis mit vernünftiger Ansage und persönlichen Papieren aufgeschlagen. Und Michaela hat ne sehr direkte – aber sympathische – Ruhrpottschnauze. Die pöbelt nicht, dass selbst die Nörgels neidisch werden.
“Ich dachte ihr arbeitet im Tierschutz und nicht als Vermehrer?????!!!!”
So werde ich erbost empfangen. Mein Verbrechen? Ich schaue mir nicht weiter einen kleinen Wühlmausmann an, wie er vor sich hin schimmelt. Er bekommt von einem netten Kleintierpfleger aus einem ebenso netten Zoo der Region 2 kleine Damen spendiert.
Das geht natürlich gar nicht und hat auch nichts mit Tierschutz zu tun. Im Tierschutz sind Prinzipien schließlich heilig und gelten für alle und jedermann – besonders, wenn Frau P. sie vertritt. Dass Einsamkeit einen normen psychischen Druck aufbaut, der entstehende Stress im Labor sogar messbar ist und das Tier massiv leidet, ist egal. Sieht man ja nicht. Also ist der Tierschutz erfüllt, weil das Prinzip verteidigt ist.
Bei solchen Exemplaren der Gattung Homo non-sapiens frag ich mich immer: Und wer schützt die Kleinen vor solchen cerebralen Luftnummern? In diesem Fall tue ich das. Für ein vermutlich älteres, schon sehr lange einsames Männchen sind Mädels die entspannteste und aussichtsreichste Option für eine erfolgreiche Vergesellschaftung. Ok, ich hab dann vielleicht demnächst ein paar Mäuse mehr. Aber wenn Papa irgendwann glücklich aus einem Haufen seiner Jungs rausguckt, ist es mir das wert. Keiner ist mehr allein. Die Gruppe hat ne Größe, die den Nagern angenehm ist und es werden durch die Trennung in Geschlechtergruppen nicht unkontrolliert immer mehr.
Dunning-Kruger-Effekte im Tierschutz
Wisst Ihr noch? Im Märchen vom netten Tierheim hatten wir den Dunning-Kruger-Effekt schon mal. Der schlägt gerade bei Exoten öfter mal voll zu, weil: Das sind ja Mäuse und wir sind vom Tierschutz. Wir wissen, wie das geht. Dass es allein mehr als 60 Rennmausarten gibt und deren Haltungsansprüche teils seeeeehr unterschiedlich sind … Also, sowas kann jetzt keiner echt ahnen. Da ist es irgendwie blöd, dass die Überfamilie der Mausartigen tatsächlich die artenreichste Gruppe der Säugetiere überhaupt ist.
Ich hatte von diesen Arten schon über 50 in meiner Obhut und ich kann es den lieben Tierheimen, die es nicht glauben wollen, gern nochmal sagen: Die Unterschiede in Wesen und Bedürfnissen gehen von “marginal” bis “What? Ist das krass!” Wer mir also Tiere auf eine über 500 km weite Reise schickt in einer Box, in der sie sich nicht mal umdrehen können (siehe Bild oben – kein Witz, da drin kamen die Beiden!), sollte ganz kleine Brötchen backen.
Das Ding mit den Exoten
Und auch die Nachzucht bis auf eine brauchbare Gruppengröße oder die Haltung in der Familiengruppe oder im Paar gehört je nach Bedarfslage der konkreten Art genauso zu meiner Tierschutzarbeit – auch wenn das in so manchem Spatzenhirn (sorry an die Spatzen!) nicht ankommt.