Unter einem Abszess versteht der Mediziner eine Eiteransammlung im Körper, die aus einer Entzündung resultiert. Sie wird durch eine Kapsel aus Granulationsgewebe und darüber liegendem Bindegewebe vom restlichen Körper abgegrenzt. Das Kapselgewebe enthält Abwehrzellen, die eine Ausbreitung des entzündlichen Prozesses im Körper verhindern soll.
Abszesse können subkutan, also unter der Haut, aber auch im Körper verteilt auftreten.
Ursachen für Abszesse bei Mäusen
Abszesse können immer dann entstehen, wenn Keime in den Körper eingetragen werden. Dies können sichtbare Wunden (z.B. von Bissen) oder Operationsstellen sein. Aber auch beim Spritzen gelangen mitunter Keime in den Körper und lösen dort einen Abszess aus.
Abszesse entstehen aber nicht nur durch größere Wunden. Durch sogenannte Mikroverletzungen können ebenfalls Erreger in den Organismus gelangen. Die winzigen Verletzungen schließen sich so schnell, dass ein Ausschwemmen der Keime nicht möglich ist. Zudem finden die Bakterien in der Wundhöhle optimale Lebensbedingungen. Solche Mikroverletzungen etwa durch das Einspießen von Fremdkörpern wie Streu kommen häufig als Ursache in Betracht.
Als verursachende Keime treten Bakterien in Erscheinung, unter anderem verschiedene Staphylokokken, Streptokokken, Corynebactrium kutscheri, Pasteurella pneumotropica und Pseudomonas aeruginosa.
Weichteilabszesse entstehen oft bei einer Infektion mit Staphylokokken (z.B. S. aureus) und Streptokokken (z.B. S. zooepidemicus). Sie sind meist zahlreich und können im ganzen Körper verteilt sein.
Abszesse im Bauchraum treten oft bei Leukose auf, entstehen aber auch aus lokalen und allgemeinen Infektionen heraus.
Tumore können – vor allem in späteren Stadien – ebenfalls zu Abszessen führen.
Bei Hamstern treten außerdem Backentaschenabszesse auf, die entweder durch Einspießen von Futterteilen – und damit Eintragen von Keimen – entstehen oder durch Verklebungen aufgrund eines ungeeigneten Futters.
Selten sind Abszesse sogenannte aseptische Abszesse, also solche, die ohne Beteiligung von Keimen entstehen.
Ursachen im Überblick
- Eintragen von Bakterien über Wunden und Mikroverletzungen
- Infektionen
- falsche Ernährung
- Vorerkrankungen (z. B. Leukose)
- Tumore
Symptome eines Abszesses
Abszesse sind immer raumfordernde Prozesse, die an der Körperoberfläche durch eine Umfangsvermehrung auffallen. Oft scheint der Eiter bei reifen subkutanen Abszessen gelb durch die Haut und eventuell hat sich ein Schorf auf dem Abszess gebildet. Zudem sind solche Abszesse oft warm, gerötet und berührungsempfindlich. Unreife Abszesse sind oft noch hautfarben bis rot.
Oberflächliche Abszesse sind wie alle Abszesse eine Erscheinung von Entzündungen und meist entsprechend schmerzhaft. Da Mäuse aber Beutetiere sind, die Schmerzen nicht zeigen, sollten Sie auch ohne Anzeichen von Schmerz unnötige Berührungen vermeiden.
Im Körper liegende Abszesse werden oft gar nicht oder nur durch Zufall entdeckt. Sie können symptomlos bleiben oder unspezifische Symptome wie reduziertes Allgemeinbefinden, bucklige Halrtung oder Ähnliches verursachen. Abszesse an der Leber führen schnell zum Funktionsverlust des Organs, was sich dann bei der betroffenen Maus in Verhaltensauffälligkeiten, Apathie und schließlich im Leberkoma mit Bewusstseinstrübungen äußert. In diesem Fall muss das betroffene Tier erlöst werden.
Abszesse im Zahn- und Kieferbereich lassen meist eine erkennbare Beule oder Schwellung im Kopfbereich erkennen. Solche Patienten fressen oft schlecht. Auch „Sabbern“ kann auf einen solchen Abszess hinweisen.
Abszesse hinter dem Auge können dieses nach vorn und sogar aus der Höhle herausdrücken (Bulbusprolaps). Ein erster Hinweis kann auch ein einseitig tränendes Auge sein.
Ein tränendes Auge kann auch einen Kiefer- oder Backentaschenabszess anzeigen. Meist ist dann parallel noch eine Schwellung tast- oder sogar sichtbar, die mitunter auch warm ist.
Symptome im Überblick
- Rötung
- mitunter gelblich durchscheinend
- warm
- berührungsempfindlich bzw. schmerzhaft
- Umfangsvermehrung
- Sabbern
- tränendes Auge
- Fressunlust bis hin zur Nahrungsverweigerung
- schlechtes Allgemeinbefinden
Diagnose von Abszessen
Die Diagnose eines Abszesses ist nicht immer ganz einfach. Am Anfang steht die äußerliche Untersuchung. Eindeutig einordnen lassen sich vor allem reife, oberflächliche Abszesse, die schon gelb durch die Haut scheinen.
Doch nicht immer ist die Diagnose so einfach und sicher. Manchmal lässt sich nur durch eine Punktion erkennen, ob es sich bei der Umfangsvermehrung um einen Tumor oder einen Abszess handelt. Dabei kann der Tierarzt Material mit der Hohlnadel entnehmen. Ein eher flüssiger bis pastöser Eiter lässt sich dann auch durch die entstandene Öffnung entleeren.
Aber auch die Punktion ist nicht immer 100%ig aussagekräftig, da Eiter eine so zähflüssige Konsistenz annehmen kann, dass er sich mit einer Kanüle nicht ansaugen lässt.
Nach der Punktion kann der Tierarzt eine zytologische Untersuchung machen und so den Verdacht „Abszess“ untermauern.
Sehr feste Abszesse kann der Arzt auch unter Narkose öffnen, um die Verdachtsdiagnose „Abszess“ zu bestätigen oder zu widerlegen.
Röntgen und Ultraschall können einen Anfangsverdacht ebenfalls bestätigen oder widerlegen.
Mitunter kann schon die Lage einer Umfangsvermehrung zur Verdachtsdiagnose „Abszess“ führen. Bei Ratten treten Abszesse beispielsweise gehäuft im Kopfbereich, Männchen auch im Bereich der Präputialdrüsen der Vorhaut auf.
Möglichkeiten der Diagnose
Typische Ergebnisse der Anamnese:
- rote bis gelbe Umfangsvermehrung
- lagespezifische Begleiterscheinungen
- schlechtes Allgemeinbefinden
- schlechter Appetit bis hin zur Nahrungsverweigerung
Weitere Untersuchungen:
- visuelle Kontrolle
- Punktion
- mikroskopische Untersuchung
- bakteriologische Kultur
- Tastuntersuchungen
- Ultraschall
- Röntgenbild
Differentialdiagnosen:
- andere Arten der Umfangsvermehrung
Behandlung von Abszessen bei Mäusen
Die Behandlung richtet sich vor allem nach Ursache und Lokalisation des Abszesses. Ist eine Antibiose notwendig, ist vorher eine bakteriologische Untersuchung mit Antibiogramm sinnvoll. So kann Ihr Tierarzt das jeweilige Antibiotikum gezielt auswählen.
Subkutaner Abszess
Das Granulationsgewebe der Kapsel, die den Abszess umgibt, enthält Abwehrzellen, die ein Ausbreiten des Abszesses im Körper verhindern sollen. Diese Schutzfunktion erschwert jedoch gleichzeitig eine Behandlung mit Antibiotika, da diese nicht über Blut und Lymphe in den Abszess gelangen und dort wirken können.
Trotzdem entscheiden sich viele Tierärzte bei Abszessen für eine orale Antibiotikagabe, um der Gefahr einer Verbreitung der Erreger im Körper entgegenzuwirken, falls der Abszess zum Körperinneren hin platzt. Dies könnte nämlich unter anderem eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Sepsis) nach sich ziehen. Zusätzlich wird meist ein Schmerzmittel für die ersten Tage verordnet.
Öffnet sich ein Abszess nicht von selbst, fließt aus und heilt ab, empfiehlt es sich, diesen zu punktieren oder zu spalten. Dabei ist es sehr wichtig, dass der gesamte Eiter aus der Wundhöhle entfernt wird. Daher spült der Tierarzt die entstandene Tasche und verschreibt mitunter auch weitere Spülungen mit desinfizierenden Mitteln, etwa Lavasept oder Lotagenlösung.
Wird der Abszess gespült, ist gleichzeitig sichergestellt, dass die oberflächliche Wunde lange genug offen gehalten wird, um eine erneute Eiteransammlung zu vermeiden. Sie heilt von innen heraus ab.
Neben der Spaltung gibt es die Möglichkeit einen Abszess chirurgisch zu behandeln, indem der Tierarzt ihn in einer Operation samt Kapsel entfernt. Diese invasive Methode empfiehlt sich vor allem bei ständig wiederkehrenden Abszessen. Nach dem Entfernen desinfiziert der Tierarzt die Wunde. Eventuell appliziert er auch lokale Langzeitantibiotika, z.B. Leukasekegel. Anschließend vernäht er die Wunde. Zusätzlich bekommt die Maus in der Regel ein orales Antibiotikum verabreicht.
Ist ein Abszess von selbst nach außen aufgebrochen und ausgelaufen, sollten Sie zumindest bei exotischen Mäusen nicht mehr daran herumdoktern (lassen). Das Immunsystem der Tiere ist meist stark genug, dass der Abszess ohne Hilfe abheilt. Beobachten Sie die betroffene Maus daher gut. Handlungsbedarf besteht erst, wenn Sie erkennen, dass der Abszess nicht von allein abheilt, sondern sich neu bildet, die Entzündung nicht abklingt, das umliegende Gewebe also weiterhin rötlich schimmert oder sich das Allgemeinbefinden des Patienten verschlechtert.
Je nach Schwere der Erkrankung kann die Heilung bzw. die Vermeidung einer Neubildung mit einem Antibiotikum unterstützt werden. Beraten Sie sich hier mit Ihrem Tierarzt!
Kiefer- und Zahnabszesse
Bei Kieferabszessen, die von den vorderen Schneidezähnen herrühren, kann ein geübter Tierarzt den Abszess öffnen und spülen. Auch von außen erreichbare Kieferabszesse sind recht einfach zu behandeln. Allerdings sind auch dem versiertesten Tierarzt hier Grenzen in der Größe der Tiere gesetzt. In dem Fall eines Abszesses an den Schneidezähnen und im Fall von weit hinten im Maul sitzenden Abszessen kann er nur mit Antibiotika arbeiten, die dann deutlich länger verabreicht werden als bei den meisten anderen Infektionen. Bei geöffneten und versorgten Abszessen wird in der Regel ein knochengängiges Antibiotikum über mindestens 2 Wochen verabreicht, bei schweren Fällen deutlich länger. Kommt der Tierarzt an den Abszess nicht heran und verschreibt ein Antibiotikum, kann sich die Gabe über 6 Wochen und noch länger hinziehen.
Hartnäckige Abszesse, üble Gerüche und Abszessfolgen
Bei sehr hartnäckigen Abszessen ist die Erstellung eines Antibiogramms besonders sinnvoll. Problematisch ist hier allerdings, dass der Abstrich nicht gemacht werden kann, solange ein Antibiotikum verabreicht wird.
Bei solchen Rezidiven leisten Leukasekegel oft gute Dienste. Diese werden je nach Größe der Abszesstasche ganz oder in Teilen in die Tasche gegeben und diese dann verschlossen.
Diese Art der Lokalantibiose wird heute in der Humanmedizin als obsolet angesehen. Sie zeigt bei Nagern bei besonders hartnäckigen Abszessen aber sehr gute Ergebnisse und kann eine unnötige Narkose zur operativen Entfernung solcher Abszesse vermeiden helfen. Daher sehe ich den Einsatz – im Zweifel zusammen mit einer systemischen Antibiose – beim Tier als sinnvoll an.
Eine Antibiose hat sich unter anderem dann in der Praxis bewährt, wenn sich aus der Abszesskapsel ein intensiv übel- bis verfault riechender Inhalt entleert. (Fast) geruchloser Eiter weist auf Abszesse mit eher geringem Komplikationspotenzial hin.
Abszesse müssen Sie immer ernst nehmen. Der Entzündungsprozess kann je nach Stelle, an der er sich befindet, benachbartes Gewebe mehr oder minder schnell in (dauerhafte) Mitleidenschaft ziehen und zerstören. Vor allem die filigranen Knochen- und Knorpelstrukturen im Kopfbereich können schon nach kurzer Zeit dauerhaft geschädigt werden.
Behandlungsmöglichkeiten
- Öffnen und Leeren des Abszesses
- Spülen von Abszesstaschen
- Antibiose (nach Antibiogramm)
- operative Entfernung
Bewährte Mittel und Medikamente
- Spüllösungen wie Lavasept
- Antibiotika (z. B. Enrofloxacin)
- Schmerzmittel
- Leukasekegel
Abszess am Auge einer Farbmaus: Aufnahme VORHER vom 04.02.2022; Aufnahme NACHHER nach Antibiose, mehrfacher Leerung und Spülung vom 11.06.2022 (abgeheilt, ohne Rezidiv)
Abszessen bei Mäusen vorbeugen
Der Entstehung von Abszessen bei Mäusen können Sie kaum vorbeugen. Sie können lediglich den Formen entgegenwirken, die durch Haltungsfehler entstehen. Das sind zum einen Abszesse als Bissfolge bei unverträglichen Böcken (z. B. bei Farbmäusen). Lassen Sie die Herren rechtzeitig kastrieren, kommt es nicht zu Auseinandersetzungen, die zu Abszessen führen können.
Auch Backentaschenabszessen können Sie mit artentsprechender Fütterung bis zu einem gewissen Grad vorbauen. Ein hundertprozentiger Schutz ist diese aber auch nicht.
Vorbeugende Maßnahmen im Überblick
- rechtzeitige Kastration
- artentsprechende Fütterung
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Quellen
Ewringmann, Anja; Glöckner; Barbara: Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus; 1. Auflage, Enke 2008, S. 92ff., 107, 128ff.
Gabrisch, Karl; Zwart, Perneel: Krankheiten der Heimtiere; 7. Auflage, Schlütersche Verlagsgesellschaft 2008, S. 161
Müller, Kerstin: HeimtierSkills – Praxisleitfaden zur Diagnose und Therapie bei kleinen Heimtieren, Schattauer 2017; S. 389ff., 454, 425
Updatetabellen 2004 für das Lehrbuch „Lokaltherapeutische Standards für chronische Hautwunden“ – G. Kammerlander; Springer Wien New York, S. 17
Letztes Update: 13.06.2022