Da bei mausartigen Nagern die Backenzähne nicht lebenslang wachsen, betreffen Zahnfehler bei Mäusen vor allem die wurzellosen Nagezähne, die Incisivi. Unerkannte oder unbehandelte Fehlstellungen können zu massiven Problemen bei der Nahrungsaufnahme (bis hin zum Verhungern!) und zu Verletzungen im Maulbereich durch das überschießende Zahnwachstum führen. Die Zähne neu erworbener Tiere sollten Sie daher immer kontrollieren, soweit das die abgebende Stelle nicht zuverlässig getan hat.
Zahnfehler können bei allen Mausarten auftreten. Auch die oft robusteren und gesünderen exotischen Arten sind davor nicht gefeit. Gehäuft treten Fehlstellungen unter anderem bei Mongolischen Rennmäusen auf.
Ursachen für Zahnfehler bei Mäusen
Mäuse haben insgesamt 16 Zähne. Vorn sitzen oben und unten jeweils 2 lebenslang wachsende Nagezähne. Hinter der Zahnlücke im Kiefer folgen auf jeder Seite jeweils oben und unten auf jeder Seite jeweils drei Backenzähne (medizinisch: Molaren).
Während die Molaren fest verwurzelt im Kiefer sitzen und beim erwachsenen Tier nicht mehr wachsen, haben die Nagezähne offene Wurzelkanäle und wachsen ein Leben lang. Während beispielsweise beim Menschen die Incisivi in einem festen Kiefer sitzen, sind die unteren Schneidezähne bei Mausartigen beweglich, da die Unterkiefersymphyse nicht mit Knochenmaterial, sondern mit flexiblem Bindegewebe verbunden ist. Dass diese beiden Zähne sehr beweglich sind, ist also normal. Ebenso normal ist eine gelbe bis orange-rote Färbung der Nagezähne. Nur bei Satin-Tieren sind diese Zähne grundsätzlich schneeweiß.
Zahnprobleme entstehen vor allem dann, wenn die permanent nachwachsenden Nagezähne nicht (mehr) korrekt in einander greifen und sich so abschleifen. Eine solche Fehlstellung der Zähne kann angeboren sein. Aber auch nach bei denen der Kiefer gebrochen oder ein oder mehrere Zähne abgebrochen sind, können die Passung der Zähne stören. Wirkt starker Druck über einen längeren Zeitraum ein – etwa bei massiven Gitternagern – kann auch diese monotone Bewegung die Passung der Nagezähne verschieben.
Ähnlich können auch raumfordernde Prozesse wie Abszesse oder Tumore am Zahnkanal eine Fehlstellung verursachen. Auch eine Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Paradontopathie) sowie eine Mangel- oder Fehlernährung können zu einer Lockerung der Zähne und damit einer Fehlstellung führen. Mitunter resultieren auch altersbedingte Veränderungen im Kiefer in einer Fehlstellung der Schneidezähne.
Bekannt ist außerdem, dass ältere Mongolen vermehrt zum Verlust der Schneidezähne im Oberkiefer neigen. Eine eindeutige Ursache für dieses Phänomen ist bisher allerdings nicht bekannt.
Ursachen im Überblick
- Traumata
- altersbedingte Veränderungen im Kiefer
- angeborene Fehlstellungen
- Tumore/ Abszesse am Zahnkanal
- Fehl-/ Mangelernährung
- Fehlbelastung durch monotones Nagen
- Paradontopathien
Symptome von Zahnfehlern
Zahnprobleme fallen oft erst spät auf, wenn die Zähne schon massiv zu lang oder gar eingerollt sind. In der Mehrheit der Fälle sind sie sogar Zufallsbefunde beim Check auf andere Diagnosen.
Als Halter können Sie beobachten, dass die betroffene Maus beim Füttern hungrig zum Napf stürzt, aber nur sehr selektiv frisst und das Futter gern eine gefühlte Ewigkeit in den Pfoten dreht, während sie immer wieder versucht reinzubeißen und das Futter mitunter schließlich fallenlässt und geht.
Durch das veränderte Fressverhalten bekommen die Tiere mitunter Verdauungsstörungen. So kann schmieriger Kot oder Durchfall auftreten, da mit Zahnfehler bevorzugt Weiches gefressen wird. Andere Patienten kötteln aufgrund der geringen Nahrungsmengen ungewöhnlich klein.
Zudem sabbern die Patienten oft, sodass das Fell um das Maul, aber auch auf der Brust und an den Vorderpfoten nass ist. Mitunter ist zusätzlich noch die Haut gerötet.
Im fortgeschrittenen Stadium fällt vor allem der Gewichtsverlust auf. Nur selten sehen Sie tatsächlich die dann vielleicht schon an der Maulseite hochwachsenden Zähne.
Je nach Ursache des Zahnproblems können auch weitere Symptome im Kopfbereich hinzutreten wie Ausfluss aus Augen oder Nase oder hervorstehende Augen (Exophtalmus).
Symptome im Überblick
- Sabbern
- sehr selektives Fressverhalten
- Verdauungsstörungen
- Gewichtsverlust und Abmagerung
Diagnose von Zahnfehlern
Eine Verdachtsdiagnose lässt sich schon aufgrund der klinischen Symptome stellen. Diese reichen aber für eine definitive Diagnose nicht aus. Ob verändertes Fressverhalten, Verdauungsstörungen oder Gewichtsverlust Folge eines Zahnproblems sind, findet der Tierarzt nur heraus, wenn er ins Maul schaut. Nur so kann er sicher sehen, ob die Zähne gesund und normal oder aber, ob Zähne fehlen, schief oder gar schon eingerollt wachsen und so Probleme verursachen.
Zahme Mäuse kann der Arzt dafür einfach in die Hand nehmen und die Zähne inspizieren, indem er die Lippen zurückzieht. Bei dieser Untersuchung hilft auch das Holz eines Abstrichtupfers oder ersatzweise ein schlanker Stift.
Eher scheue Patienten können im Nackengriff fixiert oder in ein Handtuch gerollt werden. So lassen sich mobilere Patienten in der Regel gut händeln.
Sehr scheue, wehrhafte und/oder stressempfindliche Mäuse bedürfen eventuell einer leichten Sedierung, um die Zähne angemessen untersuchen zu können. Klären Sie vor dem Besuch beim Tierarzt ab, ob dies in der Praxis Ihrer Wahl überhaupt möglich ist und ob man dort Übung mit der Narkose sehr kleiner Patienten hat.
Als weitergehende Untersuchung für die Ursache von Zahnverschiebungen eignet sich das Röntgen für das der Patient in der Regel ebenfalls leicht sediert werden muss, um brauchbare Aufnahmen zu erstellen.
Möglichkeiten der Diagnose
Typische Ergebnisse der Anamnese:
- verändertes Fressverhalten
- Abmagerung
Weitere Untersuchungen:
- Blick ins Maul
- Röntgen
Differentialdiagnosen:
- keine
Behandlung von Zahnfehlern bei Mäusen
Sind die Zähne zu lang, müssen sie natürlich gekürzt werden. Bei größeren Nagern nutzt der Tierarzt dafür gern spezielle Diamanttrennscheiben. Das ist allerdings nur bei sehr großen Exoten wie Hamsterratten möglich. Kleineren Mäusen werden die Zähne mit einer sehr scharfen Zahnzange gekürzt. Sind mehrere Zähne zu lang, kürzt der Tierarzt diese in der Regel einzeln, um die Verletzungsgefahr möglichst gering zu halten.
Da die Nagezähne nicht schmerzempfindlich sind, können sie ohne Narkose gekürzt werden. Voraussetzung ist dabei, dass sich der Patient entsprechend gut händeln lässt. Sehr scheue, wehrhafte und/oder stressempfindliche Patienten bedürfen für sichere Schnitte einer leichten Sedierung.
Gezogen werden vor allem die Nagezähne nur in Ausnahmefällen, wenn das Schneiden nicht möglich ist oder eine Grunderkrankung das Ziehen eines Zahns indiziert. Dafür wird der Nager in jedem Fall in Narkose gelegt.
Korrekturschnitte werden manchmal nur einmalig vorgenommen. Oft braucht es aber mehrere Behandlungen, bis die Zähne bei entsprechenden Voraussetzungen wieder ohne Kürzen auskommen. Bis dahin müssen sie je nach Wachstumstempo alle 3 bis 6 Wochen geschnitten werden.
Neben der eigentlichen Korrektur der Zähne muss auch die Grunderkrankung – soweit möglich – behandelt werden. Am häufigsten sind das Zahnabszesse. Die müssen unter Narkose geleert und gespült werden. Je nach Befund wird auch der betroffene Zahn gezogen.
Lebenslange Zahnkorrektur
Hat Ihre Maus eine permanente Fehlstellung, hat sie einen Zahn verloren oder musste ein Zahn gezogen werden, fehlt dem gegenüberliegenden Zahn das Gegenstück für den Abrieb dauerhaft. Dann müssen Sie die Zähne lebenslang alle 3 bis 6 Wochen kürzen (lassen). Abgesehen vom Kürzen genießen die meisten Mäuse aber eine normale Lebensqualität. Ein Tier wegen schiefer Zähne oder Zahnverlust einschläfern zu lassen, ist nicht nötig.
Zähneschneiden will gelernt sein
Vor allem bei Dauerpatienten ist es sinnvoll, wenn Sie sich von Ihrem Tierarzt das richtige Kürzen beibringen lassen. Experimentieren Sie keinesfalls einfach so selbst an Ihrem Zahnpatienten!
Mein Tipp: Nur sehr erfahrene Halter können die Zähne eines Zahnpatienten allein schneiden – und das auch nur bei eher zahmen, gut händelbaren Patienten. Suchen Sie sich deshalb für die regelmäßige Zahnkorrektur einen Helfer, der Ihren Patienten zuverlässig, möglichst stressarm und sicher fixieren kann.
Schneiden Sie immer nur einen Zahn auf einmal und zögern Sie beim Schneiden nicht. Wer die Zange zögerlich und langsam ansetzt, kann den Zahnpatienten im schlimmsten Fall verletzen. Hält die Zange den Zahn zu lange fest und bewegt sich der Patient dann währenddessen, kann der Zug am Ursprung des Zahns temporäre oder gar dauerhafte Schäden hinterlassen.
Lassen Sie sich deshalb unbedingt von Ihrem Tierarzt einweisen und schneiden Sie die Zähne erst selbst zu Hause, wenn Sie sich im Umgang mit Patient und Zange sicher sind.
Fütterung von Zahnpatienten
Die meisten Zahnpatienten können mit (regelmäßig) korrigierten Zähnen wieder problemlos normal fressen.
Je nach Befund können Zahnmäuse aber auch eine etwas angepasste Diät brauchen. Das gilt insbesondere dann, wenn einer oder gar mehrere Nagezähne fehlen. Können die Tiere prinzipiell noch fest fressen, haben aber mit dem Schälen Probleme, machen es ihnen Flocken und geschälte Saaten oft leichter. Brei als Hauptnahrung ist nur in sehr wenigen Fällen nötig.
Breifütterung kann sogar kontraproduktiv sein, wenn Ihr Zahnpatient sie nicht braucht. Bei starkem Untergewicht können Sie Brei unabhängig von der Prognose anbieten. Hat Ihre Maus aber ein Zahnproblem, das mit einer oder einigen wenigen Korrekturen zu beheben ist, sollten Sie Brei nicht über mehr als 2 bis 4 Tage füttern und dann auch nur an sichtbar untergewichtige Nager. Danach sollten Sie wieder normales Futter anbieten, um den natürlichen Abrieb der korrigierten Zähne zu fördern.
Das gilt auch bei Tieren, die dauerhaft die Zähne geschnitten bekommen: Können sie normales Futter fressen, sollten Sie dieses auch bekommen. So ziehen Sie die Intervalle in die Länge, in denen Sie schneiden müssen. Bei betonter Brei- oder Weichfütterung müssen Sie dagegen je nach Befund öfter als eigentlich nötig schneiden.
Behandlungsmöglichkeiten
- temporäres oder lebenslanges Zähneschneiden
- Optimierung der Fütterung
- knochengängige Antibiose (bei Abszessen)
- Schmerzlinderung
Bewährte Mittel und Medikamente
- Zahnzange
- Antibiotika (z. B. Enrofloxacin)
- Schmerzmittel (z. B. Meloxicam)
Zahnfehlern bei Mäusen vorbeugen
Vorbeugen können Sie vor allem Zahnfehlern, die durch Fehl- oder Mangelernährung entstehen. Achten Sie auf eine möglichst vielseitige Ernährung, um sicherzustellen, dass Ihre Mäuse auch alle wichtigen Nährstoffe in ausreichendem Umfang aufnehmen.
Ebenfalls vermeiden können Sie Zahnfehler, die durch einseitige Belastungen wie Gitternagen entstehen. Monotone Bewegungen und Verhaltensstörungen lassen sich am besten mit ausreichend großen Gehegen, verhaltensgerechter Gehegegestaltung und mit regelmäßiger Beschäftigung der kleinen, oft aber sehr intelligenten Nager vermeiden.
Genetischen und unfallbedingten Zahnfehlern können Sie nicht vorbeugen.
Vorbeugende Maßnahmen im Überblick
- artgerechte, vielseitige Ernährung
- verhaltensgerechte Haltung
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Quellen
Ewringmann, Anja; Glöckner; Barbara: Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus; 1. Auflage, Enke 2008, S. 45, 64, 218 ff.
Müller, Kerstin: HeimtierSkills – Praxisleitfaden zur Diagnose und Therapie bei kleinen Heimtieren, Schattauer 2017; S. 377, 413, 443 ff., 474 ff.
Letztes Update: 21.08.2020