Qualzuchten sind Zuchtformen, die Merkmale dulden oder gar fördern, die zu Einschränkungen, Leiden, Schmerzen, Schäden oder Verhaltensstörungen bei Lebewesen führen. Sie schränken die betroffenen Mäuse also mehr oder minder ein und machen sich häufig sowohl in der psychischen als auch in der physischen Gesundheit bemerkbar. Nicht jede Qualzucht ist sofort als solche erkennbar. Die gängigsten Qualzuchten bei Farbmäusen stelle ich Ihnen hier vor und zeige Ihnen auf, warum diese Zuchtform zu den Qualzuchten gezählt wird.
Ay-Mäuse - Fettgen
Die sogenannten Ay-Mäuse besitzen ein Gen, das zu einer Fettleibigkeit führt, die selbst mit einer strengen, fettarmen Ernährung kaum einzudämmen ist. Die Tiere bleiben trotz angepasster Fütterung und Animation zu Bewegung übergewichtig.
Eine echte futterreduzierte Diät sollten Sie diesen Tieren ohnehin nicht angedeihen lassen, da sie dadurch in den Unterzucker fallen und sogar versterben können. Sinnvoller ist eine angepasste Ernährung mit moderatem Fettanteil, erhöhtem Proteinanteil und geringem Kohlenhydratanteil.
Das Ay-Gen ist mit bestimmten Farben verbunden. Rezessiv rote Tiere sind nicht betroffen.
Auch tragen nicht ausnahmslos alle Tiere prädisponierter Farbschläge das Ay-Gen – jedoch der weitaus größte Teil.
Sehr selten kommt krankhafte Fettleibigkeit auch bei anderen Farben vor. Gehäuft lässt sie sich unter anderem bei Albinos, Black Tan und Back-Tan-Schecken beobachten.
Mögliche Schäden
- hohes Gewicht -> Gelenk- und Organschäden
- begünstigt frühes Ableben
- körperliche Einschränkung bei extrem fetten Exemplaren (beim Klettern, Laufen etc.)
- Neigung zu Diabetes Typ 2
- erhöhte Tumorneigung
Betroffene Tiere
- rote, orangefarbene und gelbliche Mäuse
- Dominant Red
- Dominant Fawn
- Dominant Cream
- Dominant Sable
- Dominant Marten Sable
Back-eyed White - BEW
Black-eyed White Mäuse sind, wie der Name schon sagt, weiße Mäuse mit schwarzen Augen. Genau genommen handelt es sich bei den meisten Tieren allerdings nicht um weiße Mäuse, sondern um gescheckte Tiere mit einem einzigen, riesigen weißen Scheckfleck, der den ganzen Körper bedeckt. Die Farbe kann aber auch über andere Farben (z.B. varigated, beige oder dilute yellow) gezogen werden.
Offiziell sind diese Tiere nicht als Qualzuchten bekannt. Jedoch sind die auf Schecken zurückgehenden Tiere – wie viele andere Tiere mit hohem Weißanteil – häufig taub. Der Hörsinn ist für Mäuse aber sehr wichtig – viel wichtiger als der Sehsinn. Auch wenn die Einschränkung nach außen kaum auffällt, ist sie für das Tier erheblich.
Zudem muss bei der Zucht über Varigated-Mäuse Varigated mit Varigated verpaart werden. Bei dieser Konstellation stirbt in den ersten Wochen nach der Geburt mindestens ein Teil der Jungtiere.
Ist eine qualzuchtfreie Herkunft bei BEW nicht garantiert, sollten Sie vom gezielten Erwerb solcher Tiere absehen.
Mögliche Schäden
- Taubheit -> Einschränkung in Kommunikation und Lebensweise, da von der Lautkommunikation der Gruppe komplett ausgeschlossen
- oft recht schreckhaft
- öfter Stress als hörende Artgenossen.
Tod von Jungtieren in den ersten Lebenswochen
Betroffene Tiere
- weiße Mäuse mit schwarzen Augen, die über Scheckung oder Varigated gezüchtet wurden
Brindle
Brindle bezeichnet eine quergestreifte Fellzeichnung ähnlich einem gestromten Boxer. Gezüchtet wird die Zeichnung über zwei verschiedene Gene, A(vy) und Mo(br) und kann in verschiedenen Farben auftreten.
Tiere, die über A(vy) gezogen wurden, leiden wie die sogenannten Ay-Mäuse an Fettleibigkeit und ihren Begleiterscheinungen. Tiere, die über das Gen Mo(br) gezüchtet wurden, haben dieses Problem nicht. Jedoch sterben bei dieser Form der Zucht alle Männchen in den ersten Lebenswochen an einem Kupfermangel.
Mögliche Schäden
- Adipositas mit allen Problemen wie bei Ay-Gen
- früher Tod vieler männlicher Jungtiere
- überlebende Böcke steril
Betroffene Tiere
- Mäuse mit der Brindle-Querstreifung unabhängig von der Farbe
Langhaarmäuse
Langhaarmäuse besitzen ein teilweise bis zum Boden reichendes Fell, das durch zwei verschiedene Gene (go und lgh) verursacht wird. Da auch die Unterwolle glatt und länger ist, funktioniert die Wärmedämmung des Fells nur noch unzureichend. In der Folge frieren die Mäuse schneller.
Ihre Barthaare sind oft stark gebogen und sie sind anfälliger für einige Erkrankungen, besonders für solche der Haut. Auch Erkrankungen der Augen wie die Konjunktivitis lassen sich bei dieser Fellform vermehrt beobachten.
Zudem besteht bei Langhaarmäusen vermutlich eine größere Sensibilität auf Narkotika als bei kurzhaarigen Tieren, wodurch das Narkoserisiko insbesondere bei Spritzennarkose steigt. In der Praxis sind die Überlebensraten von Langhaarmäusen bei Spritzennarkose unabhängig von den äußeren Umständen (Wetter, Praxisteam, …) signifikant geringer als die ihrer kurz- und glatthaarigen Verwandten. Wie Lockenmäuse sollten sie deshalb nicht mit Spritzennarkose, sondern nur mit Isoflurangas narkotisiert werden.
Mögliche Schäden
- frieren schneller
- anfälliger für Erkrankungen der Augen und der Haut
- erhöhtes Narkoserisiko bei Spritzennarkose
Betroffene Tiere
- alle Mäuse mit etwas längerem bis sehr langem Fell
Lockenmäuse
Die auch Rex-, Pudel- oder Wollmäuse genannten Tiere haben gewelltes bis krauses Haar, das es sowohl bei kurz- wie auch bei langfelligen Tieren gibt.
Das Fell der Tiere ist meist dünner und sie sind anfälliger für Parasiten und insbesondere für Erkrankungen der Haut. Der Tastsinn ist durch die gekräuselten Tasthaare mehr oder minder stark eingeschränkt. Die Deformation ist bei den einzelnen Tieren unterschiedlich stark ausgeprägt. Es gibt Mäuse, deren Barthaare sich so stark kräuseln, dass sie sogar in die Augen oder die Nase einwachsen. Man findet aber auch Exemplare, deren Tasthaare nur ganz leicht gebogen sind. Dies hängt von der Ausprägung des Lockengens ab.
Stark gebogene Wimpern reizen je nach Lokalisation die Hornhaut oder den Augenrand. Daher haben diese Tiere sehr häufig entzündete Augen. Die Reizungen können im schlimmsten Fall so weit gehen, dass schlecht oder nicht mehr heilende Ulzerationen entstehen und das Tier im schlimmsten Fall eingeschläfert werden muss.
Die Praxis hat gezeigt, dass auch Lockenmäuse sensibler auf die Narkotika der Spritzennarkose reagieren als ihre kurz- und glattfelligen Artgenossen. Kastrationen und andere Operationen sollten deshalb nur unter Isofluran-Narkose vorgenommen werden.
Mögliche Schäden
- eingeschränkter Tastsinn
- erhöhte Neigung zu Erkrankungen der Augen und der Haut
- Reizungen des Lidrandes und des Auges bis hin zum Verlust des Auges
- stärkere Disposition zu Ektoparasitosen
- erhöhtes Narkoserisiko bei Spritzennarkose
Betroffene Tiere
- alle Mäuse mit leicht gewelltem bis sehr lockigem Fell
- besonders problematisch bei Exemplaren mit sehr krausen Wimpern und/oder Barthaaren
Nacktmäuse
Nacktmäuse – auch Hairless oder Nudes – sind Tiere, denen jegliche Körperbehaarung fehlt. Dieses Phänomen kann durch verschiedene Gene auftreten, darunter das dominant vererbte Gen nu oder über Fuzz. Je nach Genvariante haben mitunter Jungtiere noch ein dünnes Haarkleid, verlieren es aber komplett oder bis auf kleine Haarinseln.
Diesen Mäusen fehlen die Tasthaare nicht nur an den Seiten, sondern je nach auslösendem Gen auch die Vibrissen an der Schnauze. Bei Fuzz-Nacktmäusen sind die Vibrissen zwar häufig noch erhalten, jedoch extrem gekräuselt und damit für Hautreizungen prädestiniert. Ebenso können eventuell Probleme mit dem Krallenwachstum auftreten.
Mangels Fell ist auch die Temperaturregulation eingeschränkt. Außerdem neigen haarlose Mäuse zu Haut- und Augenproblemen und haben bei Kämpfen ohne schützendes Fell ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
Da erwachsene Nacktmäuse je nach Linie keine Thymusdrüse mehr haben, ist auch ihr Immunsystem eingeschränkt. Entsprechend öfter sind sie krank und versterben auch früher an verschiedenen Erkrankungen.
Weibliche Nacktmäuse mit der Genvariante nu haben zudem unterentwickelte Brustdrüsen und können daher ihren Nachwuchs nicht säugen.
Mögliche Schäden
- Einschränkungen des Tastsinns
- erhöhte Neigung zu Erkrankungen des Auges und der Haut
- eingeschränkte Temperaturregulation
- erhöhtes Verletzungsrisiko
- fehlende Thymusdrüse
- schwächeres Immunsystem
- bei Weibchen Verlust der Fähigkeit zum Säugen
Betroffene Tiere
- alle (fast) felllosen Farbmäuse
- bei über Fuzz gezüchteten Exemplaren kommen deren typische Probleme hinzu
Rosettenmäuse
Diese Fellform gilt nicht offiziell als qualzüchtig, jedoch wird immer wieder diskutiert, ob man sie nicht doch den Qualzuchten zurechnen soll. Die Erfahrung hat bisher allerdings gezeigt, dass die Rosettenmäuse im Durchschnitt anfälliger für verschiedene Erkrankungen, hauptsächlich Atemwegsinfekte, sind. Daher sollten Sie dieser Zuchtform sehr skeptisch gegenüberstehen.
Rosettenmäuse mit Wirbeln im Gesichtsbereich können allerdings als qualzüchtig gelten, da dieses Phänomen mit der Veränderung der Wimpern und Vibrissen einhergeht – sodass die Mäuse dieselben Probleme bekommen wie Lockenmäuse (z.B. Reizungen von Auge und Haut).
Schwanzlose Mäuse
Schwanzlose Mäuse, auch Manx-Mäuse genannt, wurden wohl für Menschen gezüchtet, die sich vor den Schwänzen der Tiere ekeln. Damit fehlt den Tieren aber auch ein wichtiger Körperteil, den sie zum Balancieren, Klettern und als Stütze beim Laufen, aber auch für die Kommunikation und ihren Wärmehaushalt benötigen. Den Verlust des Schwanzes bei einer Maus kann man in etwa mit dem Verlust eines Armes beim Menschen gleichsetzen. Das Tier ist in seiner Bewegung und seinen natürlichen Verhaltensweisen stark eingeschränkt.
Die Mutation, die die Schwanzlosigkeit hervorruft, kann für die Tiere auch noch in anderer Weise problematisch sein: So treten häufig Deformationen im Beckengürtelbereich auf, aufgrund derer die betroffenen Mäuse nicht mehr laufen können. Auch Verwachsungen der Wirbelsäule mit daraus resultierendem, hüpfendem Gang und inkontinente Tiere hat es in solchen Zuchten schon gegeben. Die Weibchen sind nicht selten steril oder haben aufgrund der Veränderungen im hinteren Knochenapparat Probleme bei der Geburt.
Tritt das Gen homozygot auf, versterben die betroffenen Jungtiere bald nach der Geburt.
Mögliche Schäden
- motorische Einschränkungen
- Einschränkungen in der Kommunikation
- Behinderung der Wärmeregulierung
- Deformationen in Becken und Wirbelsäule
- Behinderungen im Gangbild
- Inkontinenz
- Geburtsprobleme
- Sterilität
- Tod der Jungtiere kurz nach der Geburt
Betroffene Tiere
- alle Mäuse mit angeboren fehlendem Schwanz
Tanzmäuse
Tanzmäuse sind sehr kleine, fast immer schwarzweiß gescheckte Mäuse mit auffallend kurzen Schwänzen. Sie haben einen angeborenen Hirnschaden. Defekte in der Hirnanhangdrüse verursachen bei den bedauernswerten Geschöpfen Zwergwuchs und andere Schäden. Zudem sind die Tiere durch starke Innenohrschäden fast taub. Vom Innenohrschaden rührt auch das sogenannte „Tanzen“ her. Die Tiere können schlicht nicht geradeaus laufen – sie „tanzen“ im Kreis. Teilweise rennen sie stundenlang hinter ihrem Schwanz her oder mit hohem Tempo um die Futterschüssel. Auch Klettern ist ihnen mit dieser Schädigung nur in sehr begrenztem Umfang möglich. Manche Tiere können es gar nicht mehr, da sie nicht einmal oben von unten unterscheiden können.
Durch das ebenfalls defektbedingt schwache Immunsystem werden sie sehr viel schneller krank als eine normale Farbmausvariante.
Die Degeneration der Tiere geht so weit, dass Tanzmäuse sich mit Tanzmäusen nicht mehr fortpflanzen können. Verpaart man Tanzmäuse untereinander, werden die Kinder immer tot geboren.
Je nach Grad der Beeinträchtigung können die Tiere nicht einmal ein normales, maustypisches Sozialverhalten ausleben.
In der Regel geht man davon aus, dass diese schwer kranken Tiere nicht viel älter als 6 Monate werden.
Mögliche Schäden
- Defekte der Hirnanhangdrüse
- Verwachsungen im Innenohr
- Zwergwuchs
- schwere Beeinträchtigung von Orientierung und Bewegung
- fast taub
- schwaches Immunsystem
- nicht mehr miteinander fortpflanzungsfähig
- stark verkürzte Lebenserwartung
Betroffene Tiere
- sind an der Körpergröße und -form sowie an den typischen Bewegungen erkennbar
- Tanzmäuse gibt es in Deutschland (hoffentlich) nicht mehr
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