Die Kastration ist ein deutlicher und irreversibler Eingriff in den Körper. Sie sollte daher niemals leichtfertig vorgenommen werden. Es gibt jedoch schwerwiegende Gründe, die für die OP sprechen.
Bei Mäusen wird sie fast ausschließlich bei Männchen vorgenommen, da die Organe der Weibchen im Bauchraum der meist recht kleinen Arten zu filigran sind. Denkbar ist eine Kastration von Weibchen lediglich bei sehr großen Arten wie Persischen Rennmäusen. Dieser Artikel behandelt daher ausschließlich die Kastration männlicher Mäuse.
Warum soll ich meine Mäuse kastrieren lassen?
Es gibt mehrere Gründe, warum Nager kastriert werden:
Aggression gegen Artgenossen
aggressive oder schon zerstrittene Böcke (z.B. bei Farbmäusen, Striemengrasmäusen oder Baumwollratten) -> danach besser verträglich und zu vergesellschaften
Medizinische Indikation
Entfernung der Hoden wegen Hodendrehung, Tumoren oder anderen Veränderungen am Hoden
Nachwuchsvermeidung
Vermeidung von Nachwuchs beim Halten von Männchen mit Weibchen -> kein Kastrationsgrund bei in der Haustierhaltung ohnehin seltenen Arten
Einige Leute lassen ihre Böcke, vor allem bei Farbmäusen, wegen des Geruches kastrieren. Dies als alleiniger Grund ist allerdings nicht akzeptabel, da eine Kastration einen großen, sehr verändernden Eingriff für das Tier darstellt.
Das Kastrationsrisiko
Mäuse sind in der Regel sehr kleine, leichte Tiere. Das macht den Eingriff schwieriger als bei größeren Arten. Unter anderem die Narkose ist schwieriger zu dosieren. Wählen Sie daher immer einen erfahrenen Tierarzt, der Übung im Umgang mit solch kleinen Tieren hat. Lassen Sie den Bock nach Möglichkeit mit einer Inhalationsnarkose betäuben. Diese ist am verträglichsten. Wichtig ist jedoch auch, dass der Tierarzt seine Form der Narkose beherrscht und für Mäuse fein genug dosieren kann.
Lassen Sie sich ausgiebig beraten. Fragen Sie Ihren Tierarzt nach seinen Erfahrungen mit solchen Eingriffen und nach seinen Erfolgen. Die Wahl des richtigen Tierarztes und der richtigen Narkose ist entscheidend für das (Über-)Leben Ihres Böckchens!
Geschwächte, sehr junge, sehr alte und stark adipöse – also übergewichtige – Mäuse sowie Nager mit Missbildungen und neurologischen Auffälligkeiten haben ein teils deutlich erhöhtes Narkoserisiko. Hier müssen Sie eine alternative Lösung zur Kastration finden.
Ist die Kastration auf Dauer nicht vermeidbar, gilt: Sehr jungen oder geschwächten Tieren sollten sie vor der OP einfach Zeit geben, sich altersgemäß ungehindert zu entwickeln und Kräfte zu sammeln. Adipöse Nager sollten vorher so weit wie möglich abspecken.
Für alle anderen Problemfälle gilt: Besser unkastriert lassen und Kastraten als Mitbewohner suchen oder – sofern das nicht möglich ist oder sie unverträglich sind – eine Partnerart für den einsamem Herrn suchen. Die Artengesellschaft sollte allerdings der letzte Ausweg bleiben.
Ab wann kann ich meine Maus kastrieren lassen?
Kastriert werden in der Regel nur Böckchen. Bei kleineren Nagerarten ist dieser Eingriff für Weibchen zu aufwändig und zu gefährlich. Realistisch ist eine Kastration der Weibchen erst bei Arten ab Rattengröße. Während bei Böcken nur ein Eingriff im Hodensack stattfindet, muss bei Weibchen die Bauchhöhle komplett eröffnet werden. Das geht mit einem deutlich erhöhten Risiko sowohl für den Kreislauf, als auch in Bezug auf Infektionen und Komplikationen bei der Wundheilung einher.
Für mausartige Nager gilt für die Kastration folgende Faustregel: Der Bock sollte nicht älter als die Hälfte bis zwei Drittel der durchschnittlichen Lebenserwartung der Art alt und nicht deutlich über- oder untergewichtig sein. Außerdem müssen die Hoden schon gut entwickelt sein.
Im Idealfall sollte der Bock bei der Kastration ausgewachsen sein. Bei Arten, die mit Einsetzen der Geschlechtsreife schnell und extrem aggressiv werden, sollte die Operation im Idealfall jedoch schon vorher ausgeführt werden. Sie bleiben die Böcke verträglich und sind auch später in Vergesellschaftungen mit anderen Kastraten oder einem Bock umgänglicher und verträglicher.
Daumenregel für Farbmäuse
Bei Farbmäusen gilt als Daumenregel: Der Bock sollte etwa 12 Wochen alt oder älter sein und zwischen 30 und 50g wiegen. Große Exemplare dürfen auch mehr auf die Waage bringen. Bei erfahrenen Tierärzten können Sie auch Böckchen mit gut entwickelten Hoden ab einen Gewicht von 20 bis 25g kastrieren lassen. Die obere Altersgrenze liegt bei etwa 12 bis 14 Monaten, die untere je nach Entwicklungsstand bei 8 bis 12 Wochen.
Was kostet eine Kastration bei Mäusen?
Die Kosten für eine Kastration bemessen sich weder nach der Größe, noch nach der Lebenserwartung oder dem Kaufpreis eines Tieres, sondern nach dem Aufwand.
Der Aufwand bemisst sich nach:
- verwendeter Narkoseform
- angewendeter Methode
- angewendeten Medikamenten und Materialien
- benötigter Zeit
So ist beispielsweise die Isuflorannarkose teurer als eine Spritzennarkose – aber auch verträglicher. Ein geübter Tierarzt ist schneller, hat also einen geringeren Zeitaufwand. … Es spielen also viele Faktoren in den Preis.
Daher betragen die Kosten für die Kastration einer Maus je nach Tierarzt, Narkoseform und Region durchschnittlich zwischen 30 und 80 Euro. Manche Tierärzte nehmen aber auch bis zu 130 Euro für eine Kastration. Begründet werden sehr hohe Preise gern mit “Mikrochirurgie”. Die Definition von Mikrochirurgie, spezielles Besteck zu erfordern, trifft auf Mäuse jedoch nicht zu.
Wie läuft eine Kastration bei Mäusen ab?
Die Vorbereitung
Im Gegensatz zu vielen anderen Säugern können Mäuse sich nicht übergeben. Sie können und sollten also bis kurz vor dem Eingriff fressen und trinken. Dies ist auch für den schnellen Stoffwechsel der Tiere besser, um die Gefahr einer Unterzuckerung, einer Dehydration oder ähnlicher Komplikationen zu minimieren. Geben Sie die Maus in ihrer normalen Streu, mit Futter, Flüssigkeit (Gurke, Trinknapf, o.ä.) und einem Häuschen in der Box beim Tierarzt ab. So hat der Bock noch eine möglichst vertraute Umgebung und ist weniger gestresst.
Wenn Sie scheue Exoten abgeben, instruieren Sie den Tierarzt über den Umgang mit den Tieren. Bewährt hat sich bei diesen Patienten, dass der Tierarzt die Gasglocke über das gesamte Tier stülpt oder es in eine Narkosebox setzt und es so betäubt. So erspart er sich und dem Patienten den Stress des Einfangens und Festhaltens und umgeht das bei heftiger Gegenwehr durchaus vorhandene Verletzungsrisiko für das Tier. Zudem ist die Gefahr, dass der Bock quer durch die Praxis flüchtet, minimal und auch die Gefahr eines Kreislaufkollaps’ durch Stress ist so am geringsten.
Bei zahmen Tieren kann der Tierarzt auch eine leichte Narkose spritzen, sodass das zu narkotisierende Tier das Exitationsstadium der Gasnarkose – also den Übergang in die tiefe Narkose – nicht bei vollem Bewusstsein erlebt. Zu beachten: Diese Mischnarkose verlängert allerdings auch die Aufwachzeit und kann die Chance auf Komplikationen in der Aufwachphase erhöhen. Bei sehr narkosesensiblen Mausarten oder als empfindlich bekannten Linien einer Zucht sollten Sie diese Form der Narkose daher gut abwägen (lassen).
Wenn Sie Ihren Bock abgeben, teilen Sie dem Tierarzt außerdem sämtliche Medikamente mit, die das Tier in den vorangegangenen 7 Tagen erhalten hat. Dies ist für den Tierarzt eine wichtige Information für die Narkose und das richtige Reagieren bei Zwischenfällen. Außerdem kann Ihr Tierarzt nur mit dieser Information entscheiden, ob die Operation aus Gründen der Narkoseverträglichkeit besser verschoben werden sollte.
Klären Sie außerdem bei Abgabe Ihres Mäusebocks ab, wann Sie ihn abholen sollen. Fragen Sie bei dieser Gelegenheit außerdem nach, ob der Patient zu diesem Zeitpunkt schon wieder vollständig wach ist und was Sie vielleicht für die Zeit nach der Operation schon vorbereiten sollen.
Checkliste Vorbereitung
- Futter und Flüssigkeit bis direkt vor der Narkose bereitstellen
- Handlinginformation an den Tierarzt
- keine Spot-ons in der Woche vor der Narkose
- Wettercheck für den OP-Tag - bei großer Hitze verschieben!
- eingehender Gesundheitscheck
Die Operation
Bei der Operation wird der Bock auf dem Rücken fixiert und der Hodensack wird durch einen Schnitt oder zwei Schnitte geöffnet. Dann entfernt der Tierarzt die eigentlichen Keimdrüsen. Je nach Operationsmethode wird auch das umgebende Fettgewebe entfernt. Manche Tierärzte belassen das Fettgewebe jedoch im Körper. Dann sieht es oft aus, als hätte das Böckchen noch Hoden. Beim Tasten lässt sich dann aber das deutlich festere Hodengewebe nicht mehr ertasten.
Anschließend werden die Enden der Samenstränge und des Fettgewebes verschlossen und die Wunde wird je nach Größe entweder mit einem Sprühpflaster bedeckt oder mit einer der folgenden Methoden ganz geschlossen:
- Nähen
- Kleben
- Klammern
- Kauterisieren
Der Bock bekommt noch ein Antibiotikum gespritzt, um einer Infektion vorzubeugen. Außerdem erhält er ein Schmerzmittel.
Nach der Kastration
Schon während der Operation beginnt das Tier auszukühlen, was auch nach dem Eingriff anhält. Die Körpertemperatur muss also nicht nur während der Operation kontrolliert werden. Sorgen Sie auch auf dem Heimtransport und in den folgenden Stunden noch für eine externe Wärmezufuhr.
Der Bock kann und sollte direkt nach dem Aufwachen wieder fressen und trinken.
Nässt die Wunde noch, lassen Sie den Mäuserich zu Hause noch auf Zellstoff sitzen, bis die Operationswunde trocken ist. Hinterlässt er keine Flecken mit Wundflüssigkeit oder Blut mehr auf dem Zellstoff, ist die Wunde trocken und geschlossen.
Die Fäden müssen in der Regel nicht gezogen werden. Entweder verwendet der Arzt selbst auflösende Fäden oder der Bock zieht sie sich in den folgenden Tagen selbst.
Die Kastration im Überblick
Einleitung der Narkose
(Maus schläft; Muskeltonus ist verringert)
Positionierung
(schlafende Maus wird auf den Rücken gelegt)
Hoden tasten
(Hoden werden ertastet und bei Bedarf aus dem Bauchraum in den Hodensack zurückverlagert)
Öffnung des Hodensacks
(je nach Anatomie der Maus und Methode 1 oder 2 Schnitte)
Entnahme von Gewebe
(Entnahme der Hoden und Nebenhoden und je nach Methode auch des umgebenden Fettgewebes)
Ligatur
(Verschließen der Gewebsenden)
Verschließen der Schnitte
(Verschließen der Einschnitte mittels Nähen, Klammern, Kleben oder Hitze)
Kontrolliertes Aufwachen
(Überwachung bis der Patient vollständig wach und orientiert ist)
Komplikationen bei der Kastration
Komplikationen während der Operation
Sowohl während der Operation als auch danach können Komplikationen auftreten. Stark an den Hoden verbissene Böcke können so massive Vernarbungen haben, das eine vollständige Kastration unmöglich ist.
Mitunter zieht der Bock in der Narkose auch einen oder beide Hoden in die Bauchhöhle zurück. Kann der Tierarzt sie nicht zurückverlagern, hat dann nur die Wahl, diese(n) Hoden dort zu belassen oder die Bauchhöhle zu eröffnen. Letzteres stellt einen extrem schweren Eingriff dar. Daher verzichten viele Tierärzte dann auf eine vollständige Kastration.
Durch die Narkose kann es auch zu einem Kreislauf- und/oder Atemstillstand kommen. Dann muss die Maus sofort reanimiert werden.
- Vernarbungen machen eine (vollständige) Kastration unmöglich
- ein oder beide Hoden nicht auffindbar
- Kreislauf- und/oder Atemstillstand
Komplikationen nach der Kastration
Auch nach der Kastration können verschiedene Komplikationen auftreten. Am häufigsten sind Nachblutungen. Sind diese stark oder versiegen sie nicht spätestens 1 bis 2 Stunden nach dem Eingriff, müssen Sie den Bock sofort wieder zum Tierarzt bringen.
Einige Tiere ziehen auch die Fäden zu früh. Dadurch können je nach Größe der OP-Wunde recht große Wunden entstehen, die erneut versorgt werden müssen.
Auch Infektionen durch den Einfall von Keimen in das Operationsgebiet sind möglich. Der Patient muss dann antibiotisch behandelt werden.
Oft unbemerkt, aber sehr gefährlich ist der Austritt von Darmschlingen in den leeren Hodensack. Der Darm rutscht dabei durch die Öffnung am Samenstrang, die in der OP vernäht wird. Selten löst sich diese Naht und der Darm kann aufgrund des Drucks im Bauchraum durchrutschen. Wird die Komplikation nicht oder nicht rechtzeitig erkannt, verstirbt das Tier.
Noch Stunden oder Tage nach der Kastration kann es zu einem Kreislaufkollaps kommen. Der Bock muss dann schnell mit kreislaufstimulierenden Maßnahmen behandelt werden (Wärme, Medikamente, manuelle Stimulation). Sprechen Sie mögliche Medikamente mit Ihrem Tierarzt ab. Bei einer Kreislaufschwäche nach einer Operation können Sie den Kreislauf stimulieren. Lassen Sie sich das genaue Vorgehen am besten von Ihrem Tierarzt zeigen.
Im schlimmsten Fall wurden Organe durch die Narkose überlastet oder geschädigt, sodass es im Nachgang bis zu 10 Tage nach der Operation noch zu Tod durch Organversagen kommen kann. Besonders häufig betroffen sind davon Tiere, die schon vor der Operation allgemein gesundheitlich und/oder neurologisch auffällig waren.
- Nachblutungen
- Wundinfektionen
- Patient zieht sich Fäden selbst und zu früh
- Austritt von Darmschlingen
- Kreislaufkollaps
- Organversagen
Kastration, Gruppen und Integration
Entfernen Sie einen kastrierten Bock nicht aus seinem sozialen Verband, wenn er in einen solchen eingebunden ist. Das ist in der Regel unnötig, wenn die Artgenossen die Wunde nicht anfressen oder intensiv belecken. Beobachten Sie Ihren Patienten lediglich sehr sorgfältig für die ersten 2 bis 3 Tage. Bei instabilen Gruppen sollten Sie sogar die gesamte Gruppe zur Kastration mitgeben, auch wenn nicht alle kastriert werden sollen. Das/die zu kastrierende(n) Tier(e) wird/werden dann nur für die OP und die Aufwachphase von der Gruppe getrennt.
Möchten Sie den/die Kastraten zu Weibchen vergesellschaften, sollten Sie mindestens 3 Wochen damit warten. Die Herren sind nämlich auch einige Zeit nach der Kastration noch zeugungsfähig. Die mitunter postulierten 6 oder gar 8 Wochen sind von Kaninchenabgeleitet und bei Farbmäusen und vielen anderen mausartigen Nagern unnötig lang.
Die Vergesellschaftung von Kastraten mit Kastraten und von Kastraten mit Böcken ist problematischer als eine Vergesellschaftung mit fremden Weibchen.
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