… die leidet doch nur.” Waaaahhhh, ich könnte platzen vor Wut, wenn ich sowas lese! Der liebe Gott hat uns nicht die Euthanasie geschenkt, damit wir es uns bequem machen. Und trotzdem fühlen sich in sozialen Medien rauf und runter die Leute dazu berufen, anderen Leuten zu erzählen, was es doch für eine Tierquälerei sei, das jeweils diskutierte Tier nicht sofort zu “erlösen”. Dabei wollen sie eigentlich nur sich und ihre Weltsicht graderücken. Die Maus fragt keiner. Warum eigentlich nicht?
Der Casus knacksus
Mäuse sind zähe, kleine Biester mit einem elefantösen (Über)Lebenswillen. Das Problem: Es gibt – leider gar nicht so wenige – Zeitgenossen, die ihnen weder diesen Willen, noch die Fähigkeit zum Weiterleben in unschönen Situationen zubilligen.
Dabei können Mäuse Erstaunliches leisten, wenn sie leben wollen, zum Beispiel:
- Sie können 12 Wochen Pilzbehandlung ertragen und ein komplett neues Fell wachsen lassen und ihr Gewicht von “fast verhungert” auf properer Nagemops rauffressen. Ok, das war ein Zwerghamster, aber es geht ums Prinzip!
- Sie können sich so sehr kratzen, dass sie an den Schultern die Knochen freilegen – und kämpfen, bis eine Behandlung anschlägt und 6 Monate später nur noch eine Narbe davon kündet.
- Sie können mit einer kompletten Hinterhandlähmung fröhlich durchs Leben wuseln und als Farbmaus vier Jahre alt werden.
- Sie können fast 50% ihrer Haut in einem Kampf verlieren und sie begleitet von einer sehr stressigen Intensivbehandlung über viele Wochen wieder komplett wachsen lassen – und noch drei Jahre leben.
- Sie können – kaum 6 Wochen alt – von einer einzigen großen Bißwunde mit mehrfach gebrochenem, absterbendem Schwanz und 3 gebrochenen Beinen zu dem werden, was Ihr oben auf dem Bild seht, und nach mehr als 12 Wochen Kampf zurück ins Leben sogar die große Liebe finden und eine Familie haben.
Diese Liste kann allein mit meinen Tieren einen halben Brockhaus füllen. Also soll mir keiner erzählen, dass alles, was fies aussieht, auch totgemacht gehört! Haltet doch einfach mal einen Moment die Luft an, stellt Euer Problem mit der Situation zurück und horcht in den Patienen.
Will er oder sie wirklich gehen? Wenn ja, dann zögert bitte nicht. Ein Tier, das teilnahmslos wird oder untypisch (!) zutraulich, das Fressen und Trinken einstellt oder ähnliches mehr, möchte gehen. Ein Tier das wuselt, das zumindest versucht zu fressen und zu trinken, das sich für seine Umgebung interessiert, so ein Tier ist noch nicht fertig mit der Welt – auch wenn Ihr es bei seinem Anblick vielleicht seid.
Nur ein Leben
Was ich erschreckend finde: Unseren Instant-Euthanasie-Betern geht völlig ab, dass es sich hier um ein Leben handelt, das vielleicht noch leben will (trotz Krankheit/ Verletzung/ …) und es eben nur dieses eine Leben hat. Wird es beendet, ist das Thema durch. Und vielleicht hat man das Tier eben nicht erlöst, sondern billig getötet, weil man es nicht sehen konnte oder weil einen Leute beraten haben, die fiese Bilder nicht sehen können.
Dann schaut doch weg, verdammt nochmal! Und zwingt dem Tier nicht Eure Entscheidung auf. Wenn es gehen möchte, kann es das recht klar äußern. Und genauso klar kann es äußern, wenn es noch bleiben möchte. Dann kann es nur hoffen, dass es weder auf einen Tierarzt trifft, der schnell mit der Spritze ist, noch dass sein Halter im Internet auf Leute trifft, die von einem Bild ja so ganz genau sehen, dass die aaaaaarme Maus sofort erlöst werden will.
Einen Sch… will sie mitunter! Nicht das Bild zählt, sondern das Leben dahinter. Und dieses Leben ist eine kleine Persönlichkeit und damit einzigartig und unwiederbringlich. Wie könnt Ihr nur so einfach über dieses kleine Persönchen urteilen, das Ihr gar nicht kennt?
Vorsicht Blitzbirnen!
Die Situation hat es fast jeden Tag mindestens einmal: Irgendwer kommt mit der Beschreibung eines schwer kranken oder verletzten Tieres in eine Facebookgruppe oder ein Forum und fragt hilflos, wie es weitergehen soll. Da gibt es dann drei Fraktionen: Die erste schiebt den Hilfesuchenden konsequent und ohne weitere Info zum Tierarzt weiter. Die zweite beschäftigt sich mit dem Fall, versucht Ratschläge zu geben, soweit es die Situation zulässt und die neben “geh zum Tierarzt” noch weitere Infos beinhalten. Und dann gibt es da die Spezies, die ich gefressen habe wie zehn Pfund Schmierseife, nämlich die, die ganz genau weiß, dass sich das Tier quält und eingeschläfert gehört.
Woher wissen die das denn bitteschön? Kein Mensch kann das von einer Beschreibung sagen. Kein Tierarzt, kein noch so großer Mäuse-Crack und schon gar nicht Otto-Normal-Maushalter. Eine reine Beschreibung sagt gar nichts aus, weil das Bild von der Maus, das wir dann haben, nur in unserem Kopf entsteht und in keinster Weise der Realität entsprechen muss.
Nicht viel besser sind Bilder. Sie sind Momentaufnahmen und können sehr verfälschen. Ich zumindest würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, aufgrund eines Bildes sicher sagen zu können: “Hier ist jetzt Schluss.” Das ist selbst bei einem Video noch schwer. Warum sind sich dann so viele Leute immer gleich so sicher?
Der Stress und so
Stress – entweder durch die Erkrankung selbst oder durch die Behandlung – ist ja mein absolutes “Lieblings”argument, wenn die Einschläfern-Fraktion mal wieder das Zepter erhebt. Das wäre ja so langwierig und so stressig und belastend und … Da ist es doch besser, das Tier einzuschläfern. Na klar! Wenn man nach menschlicher Logik geht, dann schon.
Mäuse ticken aber anders. Sie leben im Jetzt und Hier. Sie entscheiden jeden Tag auf’s Neue: “Heute kann ich das noch aushalten. Heute will ich noch weiterleben.” Sie rechnen nicht, wie lange die Behandlung dauern wird, was morgen noch an Stress und unangenehmen Dingen kommt. Als Menschen solltet Ihr aber mit der Aussicht rechnen, dass es ein “nach dem Stress” gibt. Die Maus kämpft ja nicht um den Status quo, sondern um ihren (neuen) Normalzustand.
Also kneift gefälligst die Arschbacken zusammen und kämpft mit, wenn Euer kleines Löwenherz es will. Es ist nicht Euer Leben und sollte damit auch nicht Eure Entscheidung sein. Schiefköpfe sind da ein schönes Beispiel. An Tag 1 geht gar nichts. Ihr müsst sie sogar füttern, weil sie wegen ihrer Orientierungslosigkeit nicht selbst fressen können (aber wollen!). Schon eine Woche später schaut das ganz anders aus.
Korrekt behandelt ist die Maus zwar immer noch schief und wird es vielleicht für immer bleiben – aber ihr Gehirn hatte Zeit, ihre Weltsicht wieder grade zu rücken. Die Tiere fressen wieder selbständig und sind im Raum wieder zunehmend orientiert. Das mag man manchmal in der Akutphase nicht denken. Ich möchte nicht wissen, wie viele Schiefköpfe deswegen einfach getötet wurden. Zu viele sind es schon allein bei denen, wo ich es mitbekommen hab.
Also hört mir auf mit Stress und Leid und Schmerzen. Jedes Lebewesen kann die bis zu einem gewissen Grad tolerieren. Wo das Limit ist, muss jedes Lebewesen selbst festlegen. Nur weil Euch das zu viel erscheint, heißt das noch lange nicht, dass die Maus das genauso sieht. Es liegt also in Eurer Verantwortung, stark genug zu sein und Euren Zwerg in einer schweren Lebensphase so zu begleitetn, wie ER es möchte. Ganz gleich, was Ihr eigentlich möchtet.
Und an die Einschläfern-Fraktion, die immer nachfedernd auf der Matte steht: Haltet doch einfach mal die Luft an, bevor Ihr mit Euren vorschnellen Urteilen helft, Leben zu beenden, die noch gar nicht enden wollen. Wenn Ihr das Tier nicht live gesehen habt, kann es maximal ein “Du solltest vielleicht diese Option in Erwägung ziehen” geben, aber niemals ein “Du musst …”! Alles andere ist Mord aus Bequemlichkeit.
Hmpf!
Ja, ich bin heut böse. Viel zu oft seh ich die Leute “einschläfern” schreien. Heut war’s halt mal einer zu viel. Die Maus ist denn auch tot und ich muss meiner Trauer und meiner Wut irgendwie Luft machen. Wen’s stört, da oben in der Ecke ist so ein Kreuz. Einfach draufklicken. Für den Rest ist es vielleicht ein kleiner Denkanstoß …
Diesmal hast Du mir richtig “aus dem Herzen” gesprochen.
Ja. Ja. Ja.
Ich stimme Dir uneingeschränkt zu.
Ausdrücklich!
Ih ebenfalls! Und ich hatte gleich ein bzweifaches , rotäugiges Beispiel dass ein Kampf. selbst wenn er Wochen dauert und dem Menschen psychische Schmerzen bereitet, sich absolut lohnen kann. Nur falls mal irgendwo wieder nötig sein sollte, @ Finstermädchen, call me, ich werde senfen 🙂
Ich musste den Artikel nach den Schwachsinn “Der liebe Gott hat uns nicht die Euthanasie geschenkt…” abbrechen.