(Farb)Mäuse sind arme Parasitenopfer. Das haben wir ja in Teil 1 von Parasitus rex schon festgestellt. Wie versprochen, folgt nun des Unfugs zweiter Teil, die Endoparasiten – nicht weniger lang, nicht weniger spannend und nicht weniger hahnebüchen. Viel Spaß also mit Würmern, Toxoplasma und Co.
Achtung, Zoonose!
Der Aufmacher dieses Teils unseres Unfugtextes ist ein echter Hingucker und enthüllt deutlich mehr über den Autor als über die beschriebenen Parasiten. Kokzidien, Oxyuren, Zwergbandwürmer und Rundwürmer wie zum Beispiel Spulwürmer werden da in den Raum geworfen. Und da fängt es schon an. Die Aufzählung erweckt den Eindruck völlig verschiedener Wurmgruppen. Ich soll dem Autor liebe Grüße von den Oxyuren ausrichten: “Wir sind Spulwürmer!”
Ein wenig blass um die Nase werde ich beim Weiterlesen. Viele der genannten Parasiten gingen auf den Menschen über. Dem könnten sie Ungemach wie Schädigung der Organe bis hin beispielsweise zum Leberversagen verursachen. Auch ein geschwächtes Immunsystem sollen sie auf dem Kerbholz haben. Irgendwie hat unser Autor hier allerdings übersehen, dass die bööööösen Zoonosen deutlich seltener sind, als er uns in seinem Artikel Glauben machen will. Während es bei Hund und Katze eine ganze Auswahl zoonotischer Parasiten gibt, ist die Bandbreite bei Nagern eher übersichtlich. Zudem schwächen sie das Immunsystem nicht – sie nutzen höchstens vorhandene Schwächen aus.
Von Bedeutung ist vor allem Hymenolepis nana, der Zwergbandwurm. Der allerdings verursacht nicht die angedrohten Organschäden, wie man in “Innere Medizin” von Wolfgang Piper nachlesen kann. Lediglich eine unschöne Enteritis kann bei einem massiven Befall entstehen. Ein leichter Befall bleibt schadenfrei und damit auch symptomlos. Also nix Leberversagen und so. Auf welchen Parasiten unser Unfugtext bei der Androhung von Organschäden und Leberversagen anspielt, hat sich mir leider nicht erschlossen. Falls wer von Euch eine Idee hat, bitte erleuchtet mich und nutzt die Kommentarfunktion.
Das war es schon fast wieder mit Zoonosen. Die meisten Spulwürmer sind so wirtsspezifisch, dass eine Ansteckung nicht zu befürchten steht. Kokzidien geht es ähnlich. Weniger wählerisch ist Toxoplasma gondii. Aber zu diesem recht speziellen Untermieter kommen wir später noch.
Auch eine Wurminfektion jenseits von H. nana ist nicht der Weltuntergang, den unser Unfugartikel daraus macht. Ernsthafte Schäden von Parasiten, die Mäuse als Vehikel nutzen, sind höchst selten. Insgesamt bleibt zur Panikmache dieses Abschnitts anzumerken: Wascht Euch doch bitte einfach die Hände und das Thema ist gegessen.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste …
… wird sich zumindest unser Autor gedacht haben. Denn laut dem Artikel sollen neue Mäuse überhaupt erst über die Schwelle dürfen, wenn sie negativ auf Würmer getestet wurden. Fettgedruckt wird dieses festgestellt. Wie wir das jedoch in der Praxis anstellen sollen, das überlässt der Text unserer Fantasie. Nicht jede Pflegestelle und jedes Tierheim testet auf Würmer, von spontanen Notfallübernahmen, Privatkäufen, Zooläden und Privatzuchten mal ganz abgesehen. Also nix Mäuse?
Man kann es auch übertreiben. Würmer sind per se noch die entspanntesten Endoparasiten, die man sich einschleppen kann. Sie haben keine Beine und gehen ergo auch nicht spazieren, wie das etwa Rattenmilben gerne tun; sie lassen sich oft einfach mit Spot-ons behandeln und sie erfordern eher übersichtliche Putzaktionen. Flächenschrubben mit Schutzhandschuhen und Neopredisan? Reinigung der halben Wohnung? Dampfreiniger im Akkordeinsatz? Bei Würmern kaum nötig.
Ebenso unnötig ist die empfohlene, halbjährliche Kotprobe auf Würmer. Sind die Tiere einmal negativ getestet, ist eine Einschleppung unter hygienischen Haltungsbedingungen eher unwahrscheinlich. Interessant wird es nur bei Tieren in Außehaltung und bei Mäusen, die viel unbehandeltes Inventar und Spielzeug von draußen bekommen. Ach ja, und natürlich wird es besonders spannend, wenn das eigene Mäusevolk Kontakt zu wildem Mäusevolk hatte.
Und was ist eigentlich mit Kokzidien, Giardien und Co.? Die dürfen rein? Wenn ja, soll mir das unsere Blitzbirne mal erklären. Die sind in der Behandlung nämlich wesentlich anstrengender und frustiger als jeder Wurm! Das weiß allerdings auch nur, wer schon mal Brocken kotzend seinen gesamten Bestand entseucht hat – so wie ich zum Beispiel.
Hinweg mit Euch!
Da Würmer ja sooooooo gefährlich sind, müssen sie umgehend und mit größten, chemischen Keulen auch bei asymptomatischen Tieren nach draußen komplimentiert werden – zumindest in der Theorie unseres Unfugextes. Droncit, Panacur, Baycox. Mir wird übel. Das sind zwei, die man eher selten braucht – Droncit und Baycox nämlich – und eins, was im Tier wegen unsympathischer Nebenwirkungen absolut nix verloren hat, nämlich Panacur.
Dafür fehlen in den Beispielen die gängigsten Antiparasitika gegen die gängigsten Parasiten: Ivomec und Stronghold gegen Aspiculuris und Co. Ebenfalls unter den Tisch gekehrt werden “Kleinigkeiten” wie “bei Baycox bitte das 5%ige, da das 2,5%ige schlecht verträglich ist”. Das scheint schlicht nicht bekannt. Die Mäuse wären allerdings sicher froh, wenn unser Text den Leser darüber informierte.
Wo die wohl herkommen?
Wie schleppt man sich die Plagegeister bloß ein? Laut unserem Unfugtext mit Mäusen aus dem Handel, mit Futtertieren, mit Nagern aus Haushalten mit mangelnder Hygiene wie etwa Animal Hoardings und – ich krieg den Mund vor Staunen nicht mehr zu – mit solchen aus zu engen Gehegen. Aha, wie soll ein Hamsterknast eine Erkrankung mit Endoparasiten begünstigen? Stehen Würmer auf Sardinendose? Dazu würde mich eine Ausführung doch brennend interessieren.
Völlig vergessen werden dagegen Fundtiere, die gern mal Darmkrabbels mitbringen. Genauso unter den Teppich gekehrt werden un- oder schlecht gewaschenes Grünzeug, Enrichment-Kram von draußen, die eigenen Schuhsohlen und vieles mehr. Die schlechte Nachricht: Es gibt viele Wege, sich Würmer und Co. aufzulesen. Dafür braucht es keine neuen Mäuse. Die gute Nachricht: sie sind trotzdem vergleichsweise selten und werden deutlich weniger häufig eingeschleppt, als dies beispielsweise bei Milben der Fall ist.
Den Endoparasiten auf der Spur
Beim Weiterlesen stellen sich mir dezent die Nackenhaare auf. Atemwegsinfekte und andere Folgen eines geschwächten Immunsystems sollen ein Anzeichen einer Erkrankung mit Endoparasiten sein. Ich glaube, an dieser Stelle bedarf es einiger klärender Worte.
Wie oben schon festgestellt, Endoparasiten verursachen keine Immunschwäche, sie nutzen sie nur aus. Kommt das Immunsystem nicht hinterher, vermehren sich die Parasiten über ein bestimmtes Level hinaus und verursachen sichtbare Symptome. Die können sein:
- Gewichtsverlust bei gutem Appetit
- vermehrtes Putzen der Afterregion
- Inaktivität
- schlechter Allgemeinzustand
- Darmblutungen
- Durchfall oder Verstopfung
Atemwegserkrankungen gehören jedenfalls nicht dazu. Auch die Geschichte mit dem Kot- und Uringeruch, die Anzeichen einer Wurmerkrankung sein sollen, hat unser Spezi nicht so ganz verstanden. In der Regel verändert ein Wurmbefall nichts am Geruch eines Tieres. Haut jedoch das Immunsystem nicht hin, kann auch die Darmflora entgleisen – und das riecht dann wirklich wenig lecker. Zurückzuführen ist das dann aber nicht auf Würmer, sondern auf Bakterien, die da sonst in diesem Umfang nicht wären.
Toxo…was!?
Ein ganzer Abschnitt in den Endoparasiten der Mäuse über Toxoplasma gondii? Irgendwie kann ich es immer noch nicht ganz glauben. Bei Haustiermäusen ist das wohl einer der seltensten Parasiten überhaupt. Trotzdem warnt unser Artikel und stellt “ungewöhnlich zutrauliche” Mäuse unter Generalverdacht. Die armen Mäuse. Wahrscheinlich mögen sie ihren Menschen einfach. Dass sie Träger von T. gondii sind, ist mehr als unwahrscheinlich.
Viel wahrscheinlicher ist, dass Ihr Euch – wie ich im übrigen auch – über Katzen ansteckt. Da liegt auch der Grund, warum Schwangere kein Katzenklo reinigen sollen. Der Parasit kann bei einer Erstinfektion nämlich fruchtschädigend wirken. Um Eure Mäuse müsst Ihr aber in der Zeit deshalb keinen Bogen machen.
Zwar lässt sich der Erreger nur am toten Tier nachweisen. Aber ich wüsste in 25 Jahren nicht von einem einzigen Verdacht auf T. gondii bei Mäusen als Haustieren. Ich häng mich jetzt einfach mal weeeiiiit aus dem Fenster und behaupte, wenn Toxoplasma so ein großes Problem bei Farbmäusen wäre, wäre es mir irgendwann in all den Jahren schon mal untergekommen. Wozu also ein Abschnitt über einen bei Mäusen nahezu bedeutungslosen Parasiten?
Da fehlt doch was
Wo sind eigentlich … die Giardien? Wenn Ihr Euch das beim Lesen auch gefragt habt, hattet Ihr denselben Gedanken wie ich. Statt sich die Länge und die Breite über T. gondii auszulassen, wäre ein gut gefüllter Abschnitt über diese Lästlinge nicht nur interessanter gewesen, sondern auch sinnvoller. Sie sind bei Mäusen zwar eher selten, spielen aber vor allem bei Fundtieren, Kontakt zu Wildnagern, mangelnder Hygiene oder bei Räumungsnagern eine Rolle.
Giardien sind kleine, einzellige Widerlinge, denen man mit Antibiotika wie Metronidazol zu Leibe rückt. Das Ätzende daran? Wenn man Pech hat, wird man sie nicht mehr los. Einige Stämme haben schon so viele Resistenzen gebildet, dass man sich an ihnen die Zähne ausbeißt. Da hilft dann nur noch Aussterbenlassen der Gruppe. Auch die Putzerei mit Dampfreiniger und Co. über jeeeeeeden Quadratzentimeter ist wenig sexy.
Bevor er also auf die armen Würmer schimpft, sollte sich unser Autor vielleicht mal mit den einzelligen Parasiten befassen. Hier gibt es einiges zu entdecken. Nur geben sie für Panikmache vielleicht nicht ganz so viel Potenzial her – zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten sieht man dann, dass daran ganze Bestände eingehen können, wenn diese Parasiten sich massiv vermehren und Ihr als Halter keinen Riegel vorgeschoben bekommt. Also hofft einfach, dass dieser – dankenswerter Weise eher seltene – Kelch an Euch vorbei geht!
Ist es nicht sogar so, dass (zumindest beim Menschen) Wurmbefall die Symptomatik von Allergien und anderen Autoimmunkrankheiten lindert? Da das Immunsystem davon abgelenkt wird, gegen den eigenen Körper zu schießen? Hab ich Mal in einer Reportage gesehen, da wurden Wurmeiern ärztlich verabreicht bei Allergikern
Hallo Christiane, ja, diesen Ansatz gibt es in der Humanmedizin schon länger. Er ist unter anderem als Schmutz- oder Hygienehypothese bekannt. So langsam kommt das auch in der Veterinärmedizin an. Aber wie immer: Es daaaaauuuuuuert … LG Eliza