Wenn ich eines hasse, dann sind es blinde Idealisten. Das gilt für Veganer ohne Realitätsbezug genauso wie für Tierschützer mit Theorien, bei denen sich mir die Frage aufdrängt, welches Kraut die bitte geraucht haben. (Davon will ich auch was!) Versteht mich bitte nicht falsch. Ideale und Ziele sind wichtig und ich mag auch Veganer sehr gerne. Aber wo bitte ist der Sinn, wenn man beispielsweise das australische Fuchsproblem lösen möchte, indem man die dort ansässigen Füchse alle einsammeln und in die ökologische Nische des Beutelwolfes züchten möchte? Guckt nicht so, DIE These ist nicht von mir und wurde mir tatsächlich in einer Diskussion als ernstgemeinte Lösung vorgeschlagen.
Theorie und Praxis – Der (klitze)kleine Unterschied
Genauso ist es mit der Futtermausdebatte. Mäuse zu verfüttern ist das Unding schlechthin – zumindest, wenn man einigen Mäusefreunden glaubt. Wer Schlangen und andere Reptilien hält, ist der Erzfeind der Mausnation oder zumindest der Gastgeber desselben. Mäuse sind um jeden Preis vor dem Schicksal des Verfütterns zu retten und eigentlich sollte es Reptilien als Haustiere gar nicht geben. Die gehören ja nicht hierher. Also seien alle Futtermauszuchten per sofort zu beenden.
Dass sich die so geschmähten Null- bis Vierbeiner davon nicht schamvoll in Luft auflösen, entgeht der realitätsfernen Fraktion irgendwie. Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Deshalb darf ich mich mit schöner Regelmäßigkeit dafür rechtfertigen, warum ich bitte Schlangenhalter zu Mäusen berate oder dem einen oder anderen als doch eigentlich tierschutzorientierte Pflegestelle sogar welche (als Liebhabertiere) vermittle.
Allerdings bin ich irgendwann im Laufe meiner Tierschutzkarriere an einem Punkt angekommen, an dem ich erkannt habe: Reptilien als Haustiere sind eine Tatsache in diesem Land. Die werden wir auch mit Anti-Schlangen-Mantras im Akkord nicht ändern. Und da ich bekanntermaßen ein absoluter Pragmatiker bin, versuche ich da etwas zu bewegen, wo sich jetzt und effektiv was bewegen lässt. Im Falle von Futtermäusen sind das die Zuchten derselben. Deshalb unterstütze ich Futtertierzüchter mit Interesse an einer möglichst mausgerechten Zucht nach Kräften. Das bringt den Tieren im Endeffekt mehr, als zu räsonieren, dass es ihre Konsumenten gar nicht geben sollte.
Dass eine schrittweise Verbesserung des Status quo weit einfacher, machbarer und näher am aktuellen Tier ist, als Abschaffungsdebatten ganzer Tierklassen als Haustiere, ist aber eben noch nicht bei allen angekommen. Und wer die Mäusefresser nicht abschaffen möchte, möchte gern ihre Essgewohnheiten ändern. Kein Witz, auch das hab ich schon gehört. Arme, fühlende und lebende Geschöpfe zu verfüttern ist schließlich barbarisch.
Der Dreck am eigenen Stecken
An dieser Stelle möchte ich den meisten dieser (maushaltenden) Idealisten einen groooooßen Besen in die Hand drücken und sie vor ihre eigene Haustür stellen. Ist ja nicht so, als hätten sie Veganer als Haustiere. Nur sind Mehlwürmer, Schaben und Co. nicht so niedlich und flauschig. Da geht das schon in Ordnung. Da geht auch eine absolut grauenhafte Aufzucht in Ordnung, weil erstens ist eine eigene Zucht anstrengend, zweitens sind die ja eklig, wenn sie noch leben, und drittens haben sie eh keine Lobby.
Natürlich kann man auch hier noch einen Schritt weitergehen und den Mäusen einfach die tierische Komponente ganz streichen. Newsflash, Ihr Lieben: Mäuse sind keine Veganer und nur weil sie vegane Ernährung vertragen, heißt das noch lange nicht, dass das auch artgerecht ist.
Besonders schlimm find ich das bei Arten wie Fettschwanz-Rennmäusen oder Zwergschläfern. Ok, letztere sind Bilche, aber das ändert nichts am Prinzip “klein und flauschig mit hässlichen Essgewohnheiten”. Wenn Ihr ethisch korrekt auf andere herabschauen wollt, dann schafft Euch Meerschweinchen an oder Kaninchen oder sonst was von Natur aus Veganes. Das wäre zumindest konsequent.
Was uns (nicht) weiterbringt
Die Menschen sind verschieden. Deshalb werden wir nie eine vegane Idealgesellschaft oder eine reptilienlose Haustierwelt haben – schon gar nicht innerhalb dieser Generation. Ergeht Euch ruhig in Idealvorstellungen, die jeden Science Fiction Autor vor Neid erblassen lassen. Aber packt auch die Realität an. Bewegt etwas, was Ihr bewegen könnt – ganz real und für die Tiere, die jetzt leben. Das mag mit Kompromissen verbunden sein, die Euch nicht munden. Aber JEDER Schritt in die richtige Richtung ist die Mühe wert – selbst dann, wenn das Ergebnis (noch) nicht Euren Idealvorstellungen entspricht. Aber wie heißt es so schön? Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Träumt nicht vom Ziel, sondern schnürt Euer Ränzchen und lauft los – und verabschiedet Euch von der Vorstellung, dass Schlangen Möhrchen mögen, wenn Ihr es Euch nur fest genug wünscht …