Krabbel, krabbel, mampf, mampf … Dass Farbmäuse keine Vegetarier sind, hat sich heute schon ein gutes Stückchen rumgesprochen. Für alle, die das noch nicht (so genau) wissen, gibt es entsprechende Artikel im Netz. Nicht alle digitalen Ergüsse zu diesem Thema führen allerdings auch zu den Erleuchtungen des Lesers, die im Sinne der Mäuse und einer korrekten Information des Halters wünschenswert wären. Deshalb soll es heute denn auch um einen Artikel gehen, der den geneigten Leser in etwa so gut über Eiweißfutter für Mäuse informiert wie die Bibel über die Evolution der Arten.
Darum mampfen Mäuse Mehlwürmer (und andere Insekten)
Unser Unfugartikel steigt sofort voll ein ins Thema. Bekommen Farbmäuse nicht ausreichend tierisches Protein, drohen Defizite im Immunsystem, psychische Störungen, Beißereien, Jungtierfressen und Kannibalismus. Ja sogar das Leben kann der Mangel verkürzen.
Nun hab ich in meinem Leben schon so manche irrtümlich vegan ernährte Farbmaus gesehen. Davon psychisch gestört war keine. Und auch nicht eine einzige Beißerei (soweit im Leben der betreffenden Mäuse überhaupt geschehen) war auf das Fehlen tierischen Proteins zurückzuführen. Den Zusammenhang von tierischem Proteinmangel in der Nahrung und Beißereien bleibt uns unser Unfugautor allerdings schuldig, sodass sich diese hahnebüchene Behauptung noch weniger nachvollziehen lässt. Auch die Art und Ausprägung der angedrohten psychischen Störungen wird nicht näher spezifiziert.
Dass das Immunsystem nicht ganz rund läuft bei einer Mangelernährung steht zu vermuten. Die Praxis hat aber gezeigt, dass die Auswirkungen längst nicht so immens spürbar sind, wie unser Unfugautor uns weismachen will. Einzig der Kannibalismus in Form des Jungtierfressens lässt sich öfter beobachten. Sollte mit Kannibalismus allerdings der an erwachsenen Tieren gemeint sein, gehört auch das ins Reich der Mythen und Märchen, aus dem sich unser Autor noch öfter bedient.
Dann geht es weiter: Insekten sollen es sein und das mehrmals in der Woche. So weit, so richtig. Warum kleine Farbmausmoppel allerdings seltener Proteinfutter bekommen sollen, erschließt sich mir nicht. Hier sollte sich lediglich die Auswahl der Futterinsekten daran orientieren und auf Mehlwürmer, Zophobas und andere fette Larven verzichten.
Dörrleichen … äh … Trockeninsekten
Neben den üblichen Verdächtigen wie Mehlwürmern und Co. kommen bei unserem Unfugautor Fliegenmaden zu Ehren. Das interessiert mich jetzt wirklich: Hat einer von Euch schon mal Fliegenmaden getrocknet an Farbmäuse verfüttert? Wenn ja, bitte schreibt mir in die Kommentare, wie Eure Mäuse das fanden. Ich hab sie nämlich nur einmal und da lebend angeboten. Die Begeisterung meiner Mäuse war so immens, dass das erste auch das einzige Mal blieb. Dafür fehlt ein ebenso beliebter wie proteinreicher Trockensnack: Bombyx mori.
Dass Trockeninseken nicht das Gelbe vom Ei sind, hat sogar unser Unfugautor erkannt. Allerdings fehlen hier nicht bestimmte Nährstoffe (nur) wegen des Trocknens, sondern wegen der Ernährung davor. Das ethische Problem der meist unterirdischen Futtertierhaltung für Trockeninsekten wird zwar angesprochen. Was allerdings eine schlechte Haltung (Haltung, nicht Ernährung!) damit zu tun hat, dass die späteren Dörrleichen ungesund für Farbis sind, erklärt uns unser Autor nicht.
Was krabbelt, schmeckt – Lebendfutter
Gesünder seien da Lebendfutter oder frisch tote Insekten und Larven. Ich lese den Satz noch mal und hänge wieder an der Redundanz. Lieber Autor, Larven sind Insekten – Insektenkinder nämlich.
Doch schon im nächsten Satz landet meine Kinnlade endgültig mit einem lauten Knall auf der Tischkante: “Da die Futterinsekten kein Schmerzempfinden haben, ist die Verfütterung lebendiger Larven unbedenklich.” Wie man sich zu einer derart empathielosen Behauptung versteigen kann, ist mir ein Rätsel. Es mag sein, das Insekten kein Schmerzempfinden haben wie etwa höhere Säugetiere. Dass sie gar keines haben, wage ich aber mal stark zu bezweifeln. Deshalb gestehe ich an dieser Stelle auch, eine Memme zu sein. Mir tun nämlich die Krabbels leid, bei denen die Mäuse hinten anfangen zu fressen.
Mehlwürmer – Der Klassiker
Ein Absatz und ein Satz und schon ist das Thema Mehlwürmer abgehandelt. Doch selbst da schafft es unser Unfugautor, mir Fragezeichen ins Gesicht zu malen. Katzen-Nassfutter? Ja, Mehlwürmer fressen gern Fleisch. Aber Pampe aus der Dose? Und deren Reste soll man zeitnah wieder entfernen. Ich sehe mich vor meinem geistigen Auge die Mehlwürmer aus der Pampe fischen. Na, dann doch lieber Trockenfutter oder Fleischreste vom Tisch.
Sättigend seien Mehlwürmer, stellt der Artikel fest. Das trifft allerdings auf alles zu, wovon Maus ausreichend frisst. Vergessen wird dagegen: Mehlwürmer sind nicht nur proteinhaltig. Sie sind auch kleine Fettbomben und gehören eher nicht auf den Speiseplan kleiner Moppel.
Hüpf und weg – Heuschrecken
Die Heuschreckenhaltung unseres Unfugautors scheint mir etwas abenteuerlich. Von stabilen Temperaturen ist die Rede. Wie hoch die sein sollen, steht allerdings nirgends. Dauerhaft 0°C sind auch stabil – aber nix für Heuschrecken. Also was denn nun? Für die, die es wissen wollen: im Idealfall ab 25°C aufwärts. Wollt Ihr nicht züchten, tun es auch 20°C.
Was die Schrecken in hohen Terrarien sollen, ist mir ein Rätsel. Sind ja keine Stabschrecken. Ein vernünftiges Terra mit 40 bis 50cm Höhe reicht völlig. Dafür darf es gern 80cm oder länger sein.
Spannend finde ich, dass eine Schrecke für eine ganze Farbmausgruppe reichen soll. Nennt mich kleinlich, aber fehlt da nicht eine Angabe zur Mäusezahl? Ich mein, 50 Mäuse sind auch eine Gruppe. Da ist eine Heuschrecke schon fast Homöopathie. Also einigen wir uns jetzt einfach mal darauf: 1 Schrecke pro 4 Mäuse ist ein guter Schnitt.
Warum man lebende Heuschrecken nicht aussetzen darf, ist mir auch schleierhaft. Die Begründung, weil sie nicht einheimisch sind, zieht hier nicht. Und wenn ich eine Hundertschaft draußen auskippen würde … spätestens im Winter hätte sich das Problem erledigt. Bei uns werden in der Regel nämlich Wander- und Wüstenheuschrecken verkauft. Und die mögen es heiß – sehr heiß! Also nix Faunaverfälschung mit biblischer Plage.
Zophobas – Mehlwürmer in Groß
Über Zophobas lernen wir neben der Tatsache, dass Farbmäuse sie fressen, wie man sie hält und (fast) richtig füttert auch, dass sie wehrhaft sind. Wer allerdings Rosenkäferlarven kennt, weiß, dass es mit der Wehrhaftigkeit von Zophobas nicht allzu weit her ist. Probiert es einfach, ob sich Eure Farbmäuse rantrauen. Entgegen unserem Artikel können nämlich auch sonst schüchterne Farbis bei der fetten Leckerei zu Hochform auflaufen.
Fett ist übrigen auch ein Stichwort, das an dieser Stelle im Unfugartikel fehlt. Zophobas sehen nicht nur aus wie große Mehlwürmer. Sie sind auch genauso fett. Das solltet Ihr bei der Zusammenstellung Eurer Fütterung bedenken.
Das Imago der Zophobas-Larven, der Schwarzkäfer, wehrt sich gegen Fressfeine mit einem ziemlich üblen Geruch, werden wir richtiger Weise belehrt. Die Viecher müffen echt erbärmlich und der Geruch hält ewig an den Händen. Im Gehege riechen sie allerdings nicht halb so schlimm. Der Geruch ist also nicht – wie unser Artikel behauptet – ein Grund, das Terra immer gut verschlossen zu halten. Auch die angeblich so ausbruchskünstlerischen Käfer sind es nicht. Die gehen nämlich nicht so einfach stiften.
Die Larven sind dafür echte Entdeckernaturen, die jede Ritze nutzen, um sich aus dem Terrarium abzuseilen. An dieser Stelle hat unser Unfugartikel eine Lücke, die ich in Eurem Interesse gern schließen möchte: Schaut zu, dass die Larven im Terra bleiben! Die nisten sich sonst nämlich in Eurer Wohnung ein. Und eins kann ich Euch sagen: Zophobas unter der Türzarge sind nicht lustig!
Auch bei diesen Krabbeltieren werden wir belehrt, dass diese nicht nach draußen, weil nicht hierher gehören. Als ich das letzte Mal auf die Karte geschaut hab, lag Mittelamerika – die eigentliche Heimat der kleinen Stinker – in (sub)tropischen Gefilden. Wie die hier also für eine erfolgreiche Faunaverfälschung den Winter überleben sollen, muss mir mal einer erklären.
Krabbel, krabbel – Argentinische Waldschaben
Als etwas anspruchsvoller werden uns die mittelgroßen, recht unkomplizierten Schaben vorgestellt. Die Haltungsanleitung ist ziemlich dünne, aber wenigstens soweit richtig. Dafür fehlen jegliche diätische Hinweise. Der Vollständigkeit halber sei daher erwähnt, dass Waldschaben – wie Heuschrecken übrigens auch – recht fettarm sind. Daher stellen sie den passenden Proteinsnack für kleine Moppelchen dar.
Ebenfalls nicht erwähnt, aber durchaus beruhigend zu wissen: Haut Euch mal eine Schabe ab, ist das nicht schlimm. Sie vermehren sich in der Wohnung nicht. Draußen übrigens auch nicht. Weshalb mich der monotone Hinweis, sie nicht auszusetzen, weil sie nicht der einheimischen Fauna entspringen, zum wiederholten Male irritiert. Dem kann ich nur ebenso monoton entgegensetzen: Für eine Faunaverfälschung kommen sie aus dem falschen Klima. Man setzt sie höchstens deshalb nicht aus, weil es einfach nicht nett ist.
Eiweißreiches Fazit
Alles in allem erleuchtet uns das Sammelsurium aus dünnen Fakten, Halbwahrheiten, Fehlern und Missverständnissen zum Thema nicht allzu sehr. Das Thema “Protein jenseits von Insekten” fehlt völlig. Nährwerte, Vorteile, Nachteile, nachvollziehbare Haltungs-, ja vielleicht sogar Zuchtanleitung? Fehlanzeige. Deshalb hatte ich vor Monaten um Überarbeitung des Artikels gebeten. Da nichts passiert ist, habt Ihr jetzt zumindest einen umfangreichen Kommentar zu diesem lückenhaften Erguss.