Nach deutschem Recht ist es verboten, wilde Tiere als Haustiere zu halten. Sie müssen also in der Regel alle gefundenen Tiere wieder in die Natur zurückbringen. Die meisten Ziehkinder fordern diesen Auszug spätestens mit der Pubertät oft deutlich mit entsprechendem Verhalten ein. Hier erfahren Sie, wann und wo Sie auswildern sollten und wie Sie die Chancen Ihres Schützlings optimieren.
Wann kann oder sollte ich Mäuse nicht auswildern?
Es gibt bestimmte Fälle, die gegen eine sofortige oder generell gegen eine Auswilderung sprechen. Dann brauchen Sie eine dauerhafte, möglichst artgerechte Lösung für Ihren Schützling. Die können Sie selbst schaffen oder Sie suchen Ihrem Zögling einen Dauerpflegeplatz in einer entsprechenden Pflegestelle.
Zu spät im Jahr gefunden
Wird das Baby sehr spät im Jahr gefunden, hat es durch die Aufzucht in warmen Räumen kein (ausreichendes) Winterfell ausgebildet. Zudem ist der Kontrast von warmen Räumen zur kalten Außentemperatur dann zu groß. Ab Ende Oktober/ Anfang November haben die Kleinen keine gute Chance mehr draußen. Sie sollten mindestens bis April, je nach Wetterlage evtl. sogar bis Anfang Mai überwintert und dann rausgesetzt werden. Vermeiden Sie beim Überwintern des Tieres jeden unnötigen Kontakt, damit es scheu und so überlebensfähig bleibt. Halten Sie es nach Möglichkeit in einem kühlen Raum oder geben Sie es in eine Pflegestelle mit einer Wintergruppe. So hat die Maus auch den nötigen Sozialkontakt.
Baby krank/ entwicklungsverzögert
Ist das Baby ist nicht normal entwickelt, bleibt das Mäuschen besser in menschlicher Obhut. Manche Findlinge brauchen einfach länger, bis sie durchstarten können. Andere holen ihr Defizit nie auf. Auch chronisch kranke (z. B. schiefe Zähne oder Schiefkopf) oder durch Behinderungen stark eingeschränkte Nager sollten nicht mehr nach draußen.
Um dem Tier ein möglichst artgerechtes Leben zu garantieren, sollten Sie für artgleiche oder zumindest bedürfnis- und verhaltensähnliche Partner und ein großes Gehege sorgen. Dies kann etwa durch eine Abgabe an Wildschutzstationen, Nagernotstationen oder Tierparks geschehen. Auch einige Päppler haben Invalidengruppen verschiedener Mäusearten Wenn Sie Ihren Zögling selbst behalten wollen, müssen Sie dann für ein entsprechendes Gehege und die nötige Gesellschaft sorgen.
Das Baby ist zu zahm
Ist das Baby ist zu zahm, kann es nicht ausgewildert werden. Die beste Lösung ist dann dieselbe wie für nicht normal entwickelte Mäusekinder.
Allerdings sind manche Tiere einfach Spätzünder. Werden sie nicht übermäßig verhätschelt werden, verwildern die kleinen Findlinge von ganz allein mit der Zeit. Manche sind schon nach 4 Wochen soweit. Andere brauchen 12 Wochen und länger. Warten Sie also mindestens ein Vierteljahr, bevor Sie beschließen, eine wilde Maus drin zu behalten. Vor allem Rötelmäuse neigen zu ausgesprochener Zahmheit auch als erwachsene Nager. Widerstehen Sie den kleinen Charmeuren und reduzieren Sie den Kontakt auf das absolute Minimum. Dann entdecken auch Rötelmäuse irgendwann, dass Menschen doof sind.
Kann ich scheue Mäuse behalten?
Manche Mäuseeltern haben sich so in ihren Zögling verliebt, dass sie ihn nicht wieder hergeben möchten, obwohl er scheu und draußen überlebensfähig ist. Das ist verständlich. Aber was bedeutet es für das Tier?
In erster Linie bedeutet es Stress, je nach Gehegegröße und (mangelnder/ nur artfremder) Mitbewohnerschaft auch Langeweile. Manche Tiere sterben früh durch Angst und Stress, da sie für ständigen Kontakt mit Menschen nicht geboren wurden. Einige Tiere springen so lange an einer Gehegewand hoch, weil sie raus wollen, dass sie irgendwann an Erschöpfung sterben. Da die meisten Fundtiere Einzelkinder sind und dieselbe Art oft nicht verfügbar ist als Partnertier, vereinsamen diese Mäuse zudem und leiden auch unter der Einsamkeit. Für gut verwilderte Zöglinge ist also die dauerhafte Haltung in Menschenhand keine Lösung.
Widerstehen Sie daher der Versuchung, Ihren Schützling um jeden Preis zu behalten. Sie machen sich nicht nur strafbar, sondern tun auch Ihrem Zögling nichts Gutes.
Im Video sehen Sie eine Hausmaus, die schon deutliche Scheu zeigt. Entstanden sind die Aufnahmen 14 Tage vor dem Auszug.
Schritte zur Auswilderung
“Die Maus frisst fest, jetzt kann sie raus …” Ganz so einfach ist es nicht. Um die Chancen für Ihren Schützling zu erhöhen, sollten Sie ihn so gut wie möglich auf die Natur vorbereiten. Das bedeutet für die meisten Arten auch, dass die Tiere nicht allein für draußen lernen und nach draußen umziehen sollten. Ausgenommen die recht eigenbrötlerischen Gelbhalsmäuse ist es sinnvoll, Ihrem Findling spätestens jetzt mindestens einen, besser mehrere Kumpel zu suchen. Haben Sie mehrere Jungtiere gefunden und aufgezogen, dürfen aber auch Gelbhalsmäuse zusammenbleiben – nur mit fremden Artgenossen vergesellschaften sollten Sie diese nach etwa der 4. vollendeten Lebenswoche nicht mehr.
Nager gefunden
Nimmt Ihr Findling als Nager zuverlässig feste Nahrung zu sich, ist das der erste Schritt Richtung Freiheit. Schon jetzt sollten Sie den Platz wählen, an dem er mit oder ohne Freunde sein Abenteuer Freiheit starten wird. Von dort bringen Sie Nagern Gräser, Kräuter, Wurzeln und anderes pflanzliches Futter zusätzlich zum eingewöhnten Futter wie Haferflocken, Wellensittichfutter, speziellen Mäusefuttermischungen und tierischem Protein (Ei, Trockeninsekten)mit. Zum einen lernen die jungen Wildmäuse so verschiedene Nahrungsmittel kennen. Zum anderen wird ihnen der Geruch ihres künftigen Zuhauses vertraut.
Bieten Sie das gesammelte Futter anfangs noch an einem Futterplatz an, sollten die Mäusekinder schon ab etwa der 5. Woche Ihr Essen selbst zusammensuchen. Verteilen Sie das Gesammelte also am besten im gesamten Gehege.
Während die kleinen Mäuse Sammeln lernen, lernen sie auch neues Futter kennen: Insekten. Bewährt für den Anfang haben sich dafür Mehlwürmer, die Sie als Lebendfutter kaufen sollten. Meist wissen die Mäuse-Teenager nicht, was sie mit dem sich windenden Wurm machen sollen. Entfernen Sie deshalb den Kopf eines Wurms und bieten Sie das weiche Innere an. Mäuse lernen schnell, dass das schmeckt. Fressen sie zuverlässig frisch tote Mehlwürmer, können Sie lebende anbieten.
Wenn Ihr Findling diese verlässlich jagt und frisst, können Sie auch mobilere, schwerer zu fangende Insekten erst frisch tot und dann lebend anbieten. Dazu zählen Asseln, kleine Schaben, Heimchen, Grillen und Heuschrecken.
Spitzmaus gefunden
Nimmt Ihr Spitzmaus-Findling zuverlässig feste Nahrung zu sich, ist das der erste Schritt Richtung Freiheit. Schon jetzt sollten Sie den Platz wählen, an dem er mit oder ohne Freunde sein Abenteuer Freiheit starten wird. Von dort bringen Sie später den kleinen Spitzmäusen Insekten, Asseln und andere kleine Wirbellose mit. Aber auch bei Spitzmäusen fangen Sie für die erste feste Nahrung zum Jagen am besten ab ca. der 5. Woche mit Mehlwürmern an. Erst wenn die kleinen Spitznasen diese zuverlässig fangen und fressen, sind sie bereit, mobilerer Beute nachzujagen – also beispielsweise Heimchen, Asseln oder Schaben. Aber auch Keimlinge und junge Gräser und Kräuter fressen die kleinen Insektenjäger ergänzend in kleinen Mengen recht gern. Eine kleine Schale mit angezogenem Grün leistet dafür gute Dienste. Aus dieser kann sich Ihr Spitzmaus-Findling selbst nach Bedarf bedienen.
Anfangs sollten Sie die zu fangenden Wirbellosen in einem begrenzten Raum – etwa einer Haushaltsbox oder einem Mini-Aquarium – dem Jäger in spe vorsetzen. Fängt Ihr Findling die Beute hier sicher und zügig, setzen Sie die vielbeinigen Mahlzeiten einfach im Gehege aus. So lernen die jungen Spitzmäuse, ihre Beute aufzuspüren und auf einer größeren Fläche zu jagen.
Sind die Babys noch wohlbehütet mit Wärmequelle in einem Kuschelnest für die ersten etwa 3 Wochen groß geworden, beginnt das Abenteuer Freiheit im Idealfall auch mit einem stark strukturiertem Gehege. So lernen die üben und festigen die kleinen Mäuse nicht nur die Nahrungssuche, sondern auch die Bewegung in einer komplexen Umwelt. Um zu überleben, müssen sie Deckung suchen und sich in ihrem Lebensraum schnell und sicher bewegen können. Je nach der Art von Maus, die Sie gefunden haben, kann das Lernen dann das Bauen von Höhlen- und Gangsystemen (z. B. Wühlmäuse) beinhalten oder raffinierte Kletter-Skills (etwa für Wald- oder Hausmäuse).
Im Idealfall entspricht das Gehege, in dem Ihr Findling für die Freiheit trainiert, also in seinen Gegebenheiten und seiner Struktur mit Bodengrund, Ästen, Wurzeln und Ähnlichem seinem künftigen Lebensraum in Freiheit. Das Vorbereitungsgehege gestalten Sie am besten schon mit Erde und Material vom späteren Auswilderungsort und stellen die Auswilderungsbox hinein. So kann Ihr kleiner Findling sich in der Box häuslich einrichten, die er später auch mitnehmen wird.
Ab etwa 2 Wochen vor der Auswilderung können Sie Ihren Findling außerdem den wilden Revierbewohnern vorstellen, indem Sie ausgemistete Kloecken am Auswilderungsort verteilen. So kommt Ihr Pflegling später auch in einer Umgebung an, die ihm olfaktorisch schon etwas vertraut ist.
Den letzten Schritt macht Ihr Findling dann in seinem neuen Lebensraum. Packen Sie Ihr Ziehkind mit seiner Auswilderungsbox ein und stellen Sie diese an einem geschützten Platz. In die Box stellen Sie Wasser und ein Fresspaket. Wenn der Auswilderungsort nicht zu weit weg ist, können Sie Ihren Findling auch noch einige Tage weiter mit Futter als Backup versorgen, bis er sich mit der neuen Umgebung vertraut gemacht und Futterquellen gefunden hat. Vor allem für Mäuse, die im Herbst noch nach draußen ziehen, erhöht das ihre Chancen zu überleben.
Wann sollte ich Mäuse auswildern?
Für den richtigen Zeitpunkt der Auswilderung sind vor allem 3 Faktoren von Bedeutung:
- Jahreszeit
- Alter der Mäuse
- Verhalten der Mäuse
Strenge Fröste, große Nässe, wenig Nahrung … Herbst, Winter und auch das sehr zeitige Frühjahr sind für Wildmäuse schwere Zeiten und damit auch die Zeit, in der Ihr Findling nicht nach draußen sollte. Je nach Region und ihrem Klima sind die Verhältnisse erst ab April und bis in den Oktober hinein passend. Das bedeutet: Die Flora gedeiht wieder, das Futterangebot wird üppiger und es gibt keine bissigen Fröste oder die Aussicht auf längere Tiefsttemperaturen (v. a. in der Nacht).
Geht Ihr Zögling also sehr früh oder spät im möglichen Zeitraum nach draußen, sollten Sie eine längere Schönwetterphase abpassen.
Im Idealfall gewöhnen Sie die jungen Wildmäuse schon langsam an tiefere Temperaturen – indem das Gehege erst im Haus, später vielleicht auf dem Balkon oder der Terrasse steht. So ist es noch geschützt, aber die jungen Mäuse können sich in der Sicherheit ihres Geheges und den etwas milderen Temperaturen direkt am Haus besser eingewöhnen.
Mäuse reifen wie alle höheren Tiere in einer gewissen Zeit zu erwachsenen Tieren heran. Bei den meisten einheimischen Mausartigen und bei Spitzmäusen dauert das etwa 12 Wochen. In dieser Zeit fangen sie an zu verwildern und lernen alles, was eine Maus für die Freiheit wissen muss. Daher sollten Handaufzuchten auch nicht zu jung sein, wenn sie nach draußen ziehen. Je nach Fundalter haben Sie Ihren Schützling also einige Wochen bei sich.
Wann die kleinen Mäuse reif für die Freiheit sind, hängt allerdings nicht nur vom konkreten Alter ab. Vor allem ihr Verhalten muss ausgereift sein. Da bedeutet, dass sie in der Lage sind, ihr Futter zu suchen, zu knacken oder zu fangen. Das bedeutet aber auch, dass sie ausreichend scheu und verwildert sind. Nur dann suchen sie Schutz, wenn sie verdächtige Schatten oder Bewegungen wahrnehmen. Erst wenn sie in ihrem Verhalten einer in der Natur aufgewachsenen Wildmaus entsprechen, können Sie die jungen Mäuse in die Freiheit entlassen.
Checkliste zum Auswildern
- richtiger Zeitpunkt: zwischen April & Oktober
- richtiges Wetter: milde Wetterphase ohne Aussicht auf Fröste oder extreme Wetterlagen
- Tier(e) ausreichend scheu
- Tier(e) komplett gesund
- Futtersuche inkl. Insektenjagd ist erlernt und funktioniert zuverlässig
- Tier(e) reif genug (etwa 12 Wochen oder älter)
Kastration von Wildmäusen
Immer wieder höre ich von Findern, die wilde Mäuse päppeln, teils überwintern und dafür kastrieren lassen. Daher hier ein klares Statement: Wildmäuse dürfen niemals kastriert werden! Dies stellt einen extremen Eingriff in den Körper und sein Hormonsystem dar, der draußen für die betroffenen Mäusejungs zum signifikanten Überlebensnachteil wird.
Nicht nur werden die Jungs ruhiger – oft zu ruhig für draußen. Sie riechen auch für Artgenossen anders, was zu Problemen im sozialen Miteinander führen kann. Die Kastration verdammt ein Wildtier daher zum Verbleib in Menschenhand, da ein Auswildern nicht mehr möglich ist.
Um einem geborenen Wildtier diese Möglichkeit nicht zu nehmen, müssen Sie auf diesen Eingriff verzichten. Haben Sie Probleme mit Ihren Findlingsjungs, wenden Sie sich am besten an Wildtierpäppler und andere Profis und geben Sie die Tiere im Zweifel zu deren Wohl ab.
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Letztes Update: 10.11.2023