Tierschutz ist toll. Man kann damit zahllosen Tieren helfen. Man kann damit aber auch einfach trotz absoluter Planlosigkeit sein eigenes Ego aufpolieren. Ist besser als jeder teure Psychologenkurs fürs Selbstbewusstsein. Egal wie hirnrissig die Aktionen sind, egal wie hahnebüchen die Thesen sind – mit dem Etikett Tierschutz ist man wichtig. Und wehe, da zweifelt jemand dran. Bekomme ich solche Stilblüten dann mal mit, falle ich wahlweise von einer Ohnmacht in die andere oder lachend vom Sofa.
Fall 1: Katastrophe in the Making
Nehmen wir da zum Beispiel mal einen netten Menschen. Der hat sich vor kurzem eine gebrauchte Schweinchenvilla gekauft. Wohnen sollen da aber Mäuse, keine Meeris. Da eben diese kleiner sind und die Schweinchenvilla für schöne und große Gehege bekannt ist, ist da also auch ausreichend Luft für ein kleines Mäusevolk. Nur welche sollen es werden?
Aus dem Tierschutz kommen sollen sie. So viel ist klar. Also wendet sich unser netter Mensch an eben diesen – in dem Fall aber (zumindest zuerst) nicht an mich. Unser Mensch wird beraten und weiß jetzt, was er für Mäuse bekommt. Da er aber ein verantwortungsvoller Halter ist, informiert er sich natürlich über seine neuen Mitbewohner weiter – und landet dadurch unter anderem bei mir.
Ich liebe ja Menschen, die so richtig vor Begeisterung für Vielzitzenmäuse glühen. Das haben die kleinen Dickerchen nämlich auch verdient. Nicht verdient haben sie allerdings die Posse, die der beratende Pseudotierschützer mit unserem netten Menschen gespielt hat. Nachdem ich nämlich nachgehakt habe, erfahre ich: Ja, es ist ne typische Schweinchenvilla – oben offen.
Nun frage ich mich ganz besorgt: Was soll der nette Mensch mit Flauschetackern in einer Offenhaltung!? Ja, doch, das ginge, hat die Pflegestelle gesagt. Sie schickt unserem netten Menschen die Mäuse nämlich nächste Woche. Aaaaaahhhh ja … Da will wohl wieder auf Teufel komm raus ein “Held” des Tierschutzes seine Vielzitzenmäuse vermitteln. Und das hat dieser Jemand mit viel blumigem Blabla getan, auf dass er als die Mäuseweisheit schlechthin vor unserem Anfänger steht, der bewundernd zu ihm aufblickt.
So weit, so schlecht. Ich setze also unseren netten Menschen ins Bild, dass er jeden Abend die Bande suchen darf, wenn er die nimmt. Vielzitzenmäuse eignen sich nämlich für vieles, aber mit Sicherheit nicht für die Offenhaltung. “Aber die Pflegestelle hat doch gesagt …” Ja, glaub ich, dass sie das gesagt hat. Wahrer wird es davon leider nicht. Ich verabschiede mich dann von unserem netten Menschen mit dem Tipp, sich für sein wirklich schönes Gehege mal Farbmäuse anzuschauen. Für einen Deckel ist die Schweinchenvilla in dem Fall nämlich etwas ungünstig konstruiert.
Fall 2: (Falscher) Mensch findet Maus
Kennt Ihr auch solche Leute, wo alles links rein und rechts wieder raus geht – egal wie sehr Ihr Euch den Mund fusslig redet? Na ja, bei manchen Exemplaren ist da leider nix dazwischen, wo Eure gut gemeinten Ratschläge hängenbleiben könnten. Haben solche Menschen dann noch ein gewisses Sendungsbewusstsein und eine gut gehende Kamera, nimmt das Drama seinen Lauf. Recht schnell stellen nette Menschen dann fest: “Du Eliza, guck mal, die hat ein Nörgel. Hast Du da nicht Kumpels für?”
Nörgels … Schmacht. Na klar verhelf ich dem Nörgel zu Gesellschaft – wenn der Mensch mich denn mal ließe. Aber weder aus “ich schick Dir welche”, noch aus “schick mir das Nörgel runter” wird was. Stattdessen entfaltet sich vor mir ein Alptraum in HD. Mit einer gefühlt täglichen Bilderdiarrhöe wird das kleine Nörgel gefeiert – mit seinen Farbmauskumpels, mit denen es nur bedingt was anfangen kann; mit seiner Erdebox, die es für Fotos gnädig hingestellt bekommt; mit … ganz ganz vielen Sachen. Nur mit einem nicht: mit artgleichen Kumpels und einem opulenten Naturgehege. Stattdessen wird öffentlichkeitstauglich der erste Geburtstag des kleinen Mädchens gefeiert. Mir ist so schlecht, dass ich im Kreis kotzen möchte. Aber natürlich finden es alle süß. Viele Likes und Herzchen. Genau das, was Frauchen braucht. Und was braucht die Maus? Na, die hat zu brauchen, was Frauchen sagt, den alles andere … Durchzug und so … Ihr wisst schon.
Und als wäre das nicht Posse genug, bekommt das Nörgelchen nach über einem Jahr plötzlich doch noch Gesellschaft in Aussicht gestellt. Genau wie Nörgelinchen wird die in der Planung schon mal den Bedürfnissen von Frauchen angepasst. Sollte ein Mädel sein, ist aber ein Bub. Na sowas! Aber das ist ja nix, was der Tierarzt nicht korrigieren kann. Kastrieren wir den kleinen Kerl doch einfach. Ist ja nur ein Wildfund und es rudern die wenigen Erhaltungszüchter ja auch noch nicht genug nach frischen Genen.
Züchten!? Niemals! Das ist kein Tierschutz! Kastrieren ist Tierschutz. Immer. Basta. Und ich dachte immer, der Tierschutz orientiert sich an den Bedürfnissen der Tiere, nicht an denen ihrer Finder oder Halter. Aber gut, auch ich kann mich mal täuschen. Vielleicht rechne ich mich ja auch zu Unrecht überhaupt selbst dem Tierschutz zu. Meine Nörgels sind – wie die meisten Mausherren meines Haushalts – nämlich in der Regel nicht kastriert. Warum auch? Man kann sie gut als Männerclique halten.
Fall 3: “Ich mach das lieber selber”
Auch sehr schön sind die Tierfreunde, die die Tiere so sehr lieben, dass sie sie selber behalten müssen – auf Teufel komm raus. Das trifft nicht nur mit unschöner Regelmäßigkeit Wildmausfindlinge, sondern auch so manchen Mausexoten. Da bekommt man einen pieksigen, spitznäsigen Neuzugang angekündigt, guckt sich schon mal nach Kumpels um und meldet ihn auf dringenden Termin beim Tierarzt an – nur um dann kurz vor knapp eine Absage zu bekommen.
“Ich behalte ihn doch selber und suche ihm Kumpels.” Jo, kann man machen – wenn man die Mausart kennt, weiß, wo man Artgenossen herbekommt, die keine Soziopathen sind, und weiß, was man in der Vergesellschaftung des Gelichters beachten muss. Nun ist aber leider nichts der drei Grundanforderungen hier der Fall und ich darf jetzt däumchendrehend warten, wann – oder ob überhaupt – ihr auffällt, dass das eine blöde Idee war und sie den Zwerg doch noch bei mir abwirft.
Denn schon allein die Suche nach Kumpels wird sich schwierig gestalten. Im Umkreis von 300 km gibt es nur einen Vermehrer dieser Art und von diesen Tieren ist schon bekannt, dass die nicht die sozialkompetentesten Vertreter ihrer Sippschaft sind. Und dann soll das ja auch noch ne reine Bockgruppe werden. Nicht nur weiß ich aus eigener Erfahrung, dass es besagter Vermehrer nicht so mit der Geschlechterbestimmung hat. Eierträger dieser Mausart können auch noch ziemlich Ekel zueinander sein – vor allem, wenn der Mensch nicht weiß, was er tut. Und nein, dieses Wissen kann man sich nicht anlesen. Das muss man mit den Mäusen live lernen.
Ich kann mir jetzt also als Worst-Case-Szenarien aussuchen, ob unser Exot bei der VG zerpflückt wird oder als “unvergesellschaftbar” einzeln vermimmelt. Es würde mich aber auch nicht wundern, wenn die Dame in rund einem Jahr (so lange brauchen Erbsenhirne erfahrungsgemäß, bis es durchrutscht, dass die Idee blöd war) mit nem im Verhalten total verkorksten Rentner wieder in meinen Messages auftaucht und fragt, ob ich ihn nicht doch haben möchte. Na klar möchte ich – nur wäre mir vor einem Jahr deutlich lieber gewesen …
Fazit: Nicht überall, wo Tierschutz dran steht, ist auch Tierschutz drin
Immer, wenn ich denke “So dämlich kann doch keiner sein”, kommt einer ums Eck und beweist mir das Gegenteil – und klebt dann noch das Prädikat “Tierschutz” drauf. Wenn Ihr den Tierschutz im Sinne der Tiere und nicht in dem der Menschen dahinter unterstützen wollt, schaut ruhig öfter mal genauer hin. Ist wirklich im Sinne der Tiere, was da passiert? Oder pflegt man hier eher Dogmen oder auch das eigene Ego? Manchmal ist das eine schmale Gratwanderung, bei der die Tiere öfter mal verlieren …