“Bei Dir lebt sie noch besser als artgerecht.” Diesen Satz hab ich letztens auf Facebook gelesen und mir ist immer noch schlecht, wenn ich drüber nachdenke. Vor allem, weil es um eine einzelne Rötelmaus unter Farbmäusen ging. Was mich seitdem nicht mehr loslässt: Was ist denn bitte “besser als artgerecht”? Artgerecht bedeutet doch, dass man der Art gerecht wird, also alle Bedürfnisse eines Tieres in der Weise erfüllt sind, wie es das wirklich braucht. Was ist bitte noch besser als die Erfüllung aller artentsprechenden Bedürfnisse?
Mäuse sind keine Puppen
Es gibt unter Tierhaltern – und das beschränkt sich nicht auf Mäuse – mitunter die Tendenz, ihre Lieblinge zu verhätscheln. Das hat dann immer so ein bisschen was von Paris Hilton mit Chihuahua in der Handtasche. Kein Hund will in eine Handtasche. Er hat vier Beine und ist ein Lauftier. Genauso geht es den Püppchen-Mäusen. Sie bekommen totaaaaaal süße Häuschen und sind der Star jedes Fotoshootings. Sie werden mit Leckerlies zugestopft und jeden Tag auf Hand und Schulter rumgeschleift – ob sie wollen oder nicht. Sie bekommen Törtchen zum Geburtstag und ihre eigene Facebookseite.
Aber brauchen sie das wirklich? Ist das besser als artgerecht? Natürlich wird akribisch für alles gesorgt. Das Essen ist vom Feinsten, man lebt in Kuschelhöhlen auf pieksauberem Zellstoff und wird täglich gekrault. Die Spuren werden akribisch fotografiert und online gestellt. Fotos haben den Nachteil, man sieht auch die Fettpölserchen der mit Futter geliebten Nager recht gut. Aber das macht nix, schließlich sind es die tollsten Mäuse der Welt und dürfen das. Adipositas? Begleiterkrankung? Unser Star doch nicht!
Die Fotodokumentation zeigt Mausi auf Pullis, auf Holz, im Plastiklaufrad, auf einem riesigen Salzleckstein, in Hamsterwatte, in einem mit Teppich ausgelegten Auslauf – im Hintergrund furztrockene Holzstreu zum Buddeln. Alles pieksauber, frisch und ordentlich auf 100x60x90. Was will man als Maus eigentlich mehr? Ist ja schon mal besser als das Heim das Jahr zuvor mit 10 oder 15cm Streu. Dafür gibt es zum Buddeln ab und zu ne Kiste hingestellt mit Erde oder Moos. Rötelmäuse sind schließlich Wühlmäuse. Mehr Bilder als vom Nörgel in der Buddelkiste gibt es allerdings vom Nörgel auf Stoff und Händen – deutlich mehr.
Ein Kräutertopf im Auslauf für die Kamera darf es auch gern sein, auch mal Gras oder eine Löwenzahnblüte von Hand. Schließlich brauchen Mäuse Vitamine. Mehlwürmer gibt es getrocknet. Natürlich mampft Mausi auch mindestens so viele Körner wie Grünes und die nur vom Besten. Ab und zu wird mit Joghurt nachgespült. Selbstverständlich darf auch Edelfutter nicht fehlen. Spanische Erdbeeren und Heidelbeeren im März sind das Mindeste an Luxus.
Erstaunlich, was diese Maus alles darf und erlebt, oder? Was ich leider nicht auf den Bildern sah, war eine (Wühl)Maus, die mit Leidenschaft von unten die Möhrchen aus der Erde klaut. Oder eine, die mit ihrem Rötelmauskumpels fröhlich durchs Fußbad watschelt, um anschließend rundrum die Erde ordernlich einzuschmumpfen. Aber stop, kann sie ja auch nicht, Sie hat ja weder Nörgelkumpels, noch ein ständig verfügbares Wasserbad mit Erde drumrum. Sie hat das Paris-Hilton-Handtäschchen-Pendant. Und in dem liegt sie wahrscheinlich nachts und träumt von einem Kubikmeter Erde, einem Bachlauf oder mindestens einem großzügigen Fußbad, von Grünzeug, das im Gehege wächst und von jeder Menge Wurzelgemüse, die ihrer Taille besser täten als Pinienkerne und Co. – und von anderen Rötelmäusen, die sich mit der gleichen Begeisterung Nase voran in die Erde bohren, ein Fußbad nehmen und sich aufeinander stapeln und im besten Nörgeldialekt unterhalten.
Warum es mich so aufregt
Das kleine Nörgel ist leider nur ein Beispiel. Solche Püppchen gibt es leider durch die Artenbank hinweg bei vielen Mäusen und viele Menschen finden das total niedlich, stehen daneben und klatschen auch noch Beifall. Was ist bei den Haltern im Kopf kaputt, frage ich mich. Das sind ja meistens wirklich tierliebe Leute. Aber irgendwo ist diese Tierliebe mal falsch abgebogen. Da wird als artgerecht deklariert, was bei den Massen gut ankommt und viel Begeisterung und Zuspruch findet. Wer kritisiert, fliegt raus.
Das hat zwei Folgen: Erstens haben die Paris Hiltons der Mäusewelt dank Zensur ihre Ruhe und zweitens denken durch sie viele, viele Menschen, eine grauenvolle Haltung sei toll, denn da macht es ja jemand vor, der viel Ahnung zu haben scheint. Andernfalls würde das ja jemand kritisieren. Den Kopf schütteln nur die, die selber aus den Anfängerschuhen schon rausgewachsen sind. Das Gros freut sich an den “harmlosen” und so süßen Bildern. Und wenn dann jemand mal nach der Haltung der jeweiligen Mäuseart fragt, erklären sie ihm genau das, was sie da gesehen haben, als richtig und gut. Oder noch schlimmer: Sie schicken den Frager zur Quelle, die eigentlich auch keine Ahnung hat, weil sie sich mit naturnaher und artgrechter Haltung (da ist das böse Wort wieder) nie praktisch auseinandergesetzt haben.
Das kann dann für Mäuse böse ausgehen, die mit den Paris-Hilton-Fifis … äh … Mausis gar nix zu tun haben. Aber auch sie leben im Handtäschchen, oft ohne dass ihre Besitzer es wissen. Die fallen nämlich aus allen Wolken, wenn in irgendeiner Debatte dann mal rauskommt, dass das doch nicht so ideal ist, was sie da erzählt bekommen haben. In solchen Momenten tun mir nicht nur die Mäuse, sondern auch die Halter leid. Die haben es schließlich nur gut gemeint und auf Leute gehört, die vermeintlich Ahnung haben oder Leute mit Ahnung kennen.
Was gegen Handtaschenmäuse hilft
Nun hat man es als Anfänger natürlich schwer. Woran erkenne ich Humbug im Netz überhaupt? Woher weiß ich denn, dass das Mäuseasyl mir nicht grad einen riesigen Bären in diesem Artikel aufbindet? Vielleicht ist sie ja nur neidisch auf die Beliebtheit anderer. Bin ich nicht. Aber das müsst Ihr mir auch gar nicht glauben. Ihr könnt es nachprüfen. Wenn Ihr Euch eine Art jenseits von Farbmäusen und Mongolen anschaffen wollt, über die es als Haustiere vielleicht nur wenige Berichte gibt, dann schaut Euch die Wildtiere an.
Woher kommen sie? Wie ist dort der Boden? Das Klima? Die Vegetation? Welche Tiere leben dort? Wie lebt diese Art dort? Das Wildtier kann Euch helfen, Informationen, die Ihr über die Art als Haustier bekommt, besser einzuschätzen. So findet Ihr bei zwei, drei oder noch mehr recht gegensätzlichen Meinungen am ehesten die, die den Tieren auch gerecht wird.
Und noch ein Tipp: Wer viele schöne Bilder zeigt, aber bei Fragen nur Standardphrasen bereit hat, sollte nicht unbedingt Euer erster Ansprechpartner sein. Fragt ruhig nach, warum etwas sein muss oder nicht sein darf oder sein soll, wie Ihr es gesagt bekommt. Wer sich was bei seiner Beratung denkt, kann Euch immer erklären, warum er eine bestimmte Empfehlung gibt oder Regel aufstellt. Ob Ihr dieser Logik folgen wollt oder könnt, liegt dann bei Euch.
Fazit: Seid kritisch, wen Ihr beweihräuchert! Fragt nach … Lest … Und fragt noch mehr … Dann ist die Chance gut, dass Ihr glückliche Mäuse bekommt und keine Paris-Hilton-Ausgabe im rosa Tutu mit Pommade für die Kamera.
Ich wollte fragen, was du von meiner Haltung von vier Farbmäusen hältst, da ich sie noch nicht sehr lange habe, und nach diesem Text nicht sicher bin, ob ich sie richtig halte. Hier die Beschreibung:
Der Käfig ist 100x50x75cm gross, von den 75cm höhe sind c.a. 50 Glasbecken und 25 gitter. Unten hat es etwa 10-15 cm holzeinstreu, mit einem Tunnel aus Klopapierröhren (natürlich ohne Klebstoff dran). Ausserdem hat es unten drei kleine Häuschen, eines ist so eine halbe Kokosnuss, die anderen sind aus normalem Holz und sind solche Miniaturhäuschen. Es hat auch noch ein kleines ‚Holzklösschen‘ (das nenn ich jetzt mal so), um zu nagen. Dann ist unten auch das Futter das aus verschiedenen Körnern, flocken und pro tag c.a einem Mehlwurm (hatte es schon drin) besteht. Dann gibt es die erste Etage (die Etagen sind Becken mit Einstreu), auf der ein kleines Häuschen mit etwas Heu darin steht. Dann gibt es die zweite Etage, auf der eine Klopapierröhre mit heu darin liegt. Ausserdem hat es dort noch zwei Kokosnusshäuschen. Bei der ersten Etage hat es noch eine kleinere Plattform zu der eine c.a 10 cm lange Leiter führt, auf der ein Schälchen mit Wasser steht.
Wenn du genau wissen möchtest, wie der Käfig aussieht, dann habe ich noch eine Seite auf Instagram die my.little.mouse.house heisst. Der Käfig sieht nur ein bisschen anders aus als auf dem Bild, da ich die Einstreu schon einmal gewechselt habe und die Häuschen anders wieder hineingestellt habe.
Bitte schreib mir per E-Mail, ich möchte wirklich eine gute Haltung haben!
Liebe Grüsse
Chea
PS: Die Mäuse heissen Alea, Anthea, Arya und Aelin (wird Eylin ausgesprochen)