Kein Thema wird so oft diskutiert wie Vergesellschaftungen. Wie geht das denn nun? Und wie geht es vor allem auch noch richtig? Der geneigte Mäusehalter freut sich an dieser Stelle immer ungemein über detaillierte Vergesellschaftungsrezepte, an die er sich mitunter klammert, wie der Ertrinkende an den Rettungsring. Das Blöde ist nur, diese Grundrezepte der Mausverheiratung sind genau das: Grundrezepte. Und zu denen gibt es viele – seeeehhhr viele – Varianten. Aber das ist so unheimlich kompliziert. Können die sich nicht einfach vertragen!?
Pech gehabt!
Wer Glück hat, bäckt sein Völkchen nach dem Grundrezept ohne Zwischenfälle zusammen. Der Rest hat Pech – und ein Problem. Und das besteht in mehr oder minder stark zankenden Mäusen. “Meine Mäuse hauen sich nach 5 Wochen Vergesellschaftung immernoch. Was soll ich tun?” Mit derartigen Hilferufen könnte man eine Autobahn von München bis nach Flensburg pflastern. Aus denen, die dann sofort mit allen möglichen Tipps nachfedernd auf der Matte stehen, ließe sich problemlos eine Menschenkette bilden, die diese Autobahn dann säumt.
Häufigste Antwort: “Da musst Du noch mal eine Etappe zurück.” Dabei wird aus dem Hilfruf nicht mal immer klar, um was für Mäuse es sich handelt. Farbmäuse? Mongolen? Streifenmäuse? Zwerge? Mädels? Jungs? Gemischt? Na, ist ja auch egal. Schublade auf, Patentrezept raus, Mäuse rein. Wird schon passen. Stufe zurück. Stufe weiter. Häuschen rein. Häuschen raus. Auf dieses Ballett beschränkt sich bei vielen das Repertoire. Und bei wem es nicht klappt, der ist ja selber Schuld, weil er viel zu schnell vorgeht – auch wenn es nach (noch) 5 Wochen kracht.
Mammutprojekt
Ich lese immer wieder von Vergesellschaftungen, die 3 Monate und länger dauern und frage mich besorgt: Warum tun die das sich und den Tieren an? In solchen Momenten kann ich die Regel, Farbmäuse nur zwei- oder dreimal in ihrem Leben zu vergesellschaften, verstehen. Dann verbringen die ja quasi ein Drittel ihres Lebens in der Vergesellschaftung.
Und da wird fleißig gebastelt. Millimeterweise wird der Platz erweitert. Akribisch werden die Mäuse beobachtet. Wer jedoch nicht genau weiß, was er sehen sollte, kann auch bei der größten Sorgfalt scheitern. Auf der einen Seite sind da die Gruppen, die lediglich diskutieren, um den Rang zu klären und nur einfach nicht dazu kommen, weil ihr (über)besorgter Körnergeber sie ständig dabei stört. Auf der anderen Seite sieht man immer wieder mal Videos von Mäusen, die sich schon fast gegenseitig fressen und deren unglückliche Besitzer sich und die Internetgemeinde fragen, ob das denn noch normal sei.
Definitiv nicht normal ist in beiden Fällen und allen Varianten dazwischen das ewige Bestreben, dass die sich doch vertragen müssen. Die Mäuse müssen gar nichts, auch nicht sich vertragen. Und doch zwingen einige Halter ihre Tiere in mitunter monatelangen Marathons oder mit extrem stressigen Methoden zusammen. Das Ergebnis ist nicht selten ein unterschwelliger Dauerknatsch, mit dem weder Mäuse, noch Menschen glücklich sind. Letztere verstehen dann die (Mäuse)Welt nicht mehr. Dabei ist es doch ganz einfach.
Mögt Ihr jeden? Also ich nicht. Es gibt Menschen, wollte man mich mit denen vergesellschaften, würde weder Trenngitter, noch Panikbox, noch Häuschenklau oder ständiges Zurückstufen helfen. Ich mag sie nicht und ich werde sie nie mögen. Nichtmal wenn man sie mit meinem Lieblingsparfum einsprühen würde, wären sie mir sympathischer. Warum soll das den Mäusen anders gehen? Solche Artgenossen können noch so vertraut riechen und ihnen auf noch so viele Weisen nahegebracht werden, sie mögen sie nicht. Was machen Menschen, die sich nicht mögen? Genau, sie gehen getrennte Wege. Warum also gebt Ihr Mäusen nicht dieselbe Chance?
Mehr Maus, weniger Schublade
Mindestens genauso spannend wie die Tipps selbst, ist der Input, mit dem viele Vergesellschaftungsberater auskommen. Mausart, Anzahl und vielleicht noch das Geschlecht reichen ihnen und schon sprudeln sie über vor Ratschlägen. Ich stehe dann oft fasziniert daneben und kriege manchmal den Mund vor Staunen kaum noch zu. Mit welchem Brustton der Überzeugung da beraten wird, wo sich bei mir erstmal eine Frageliste auftut, mit deren Antworten man problemlos den Brockhaus füllen könnte.
Wo wir grad dabei sind: Ich darf mich ja mit ziemlicher Regelmäßigkeit schief für meine Opas angucken lassen. Bei Bedarf vergesellschafte ich in die Gruppe nämlich bei jeder Gehegereinigung neue Tiere rein – also im Ernstfall etwa alle 12 bis 16 Wochen. Und dann vergesellschafte ich da mitunter auch noch Böcke mit Böcken. Ja, schaut nicht so empört. Ich finde das nicht schlimm. Und wisst Ihr, warum? Lebt ein Bock oder Kastrat in dieser Gruppe 2 Jahre, verbringt er weniger Zeit in der Vergesellschaftung als manche Maus, die nach Schema F nur einmal vergesellschaftet wird.
In dieser Gruppe leben die Tiere nach einer einfachen Regel. Willkommen ist, wer in die Gruppe passt. Und “passen” definiere ich ganz einfach: Das Ende der Vergesellschaftung und das Ende der Gehegereinigung fallen zusammen. Der Käs ist also nach 4 bis 48 Stunden gegessen und die Gruppe ausgeglichen, ruhig und harmonisch. Wer stresst, fliegt.
Wie das geht? Ganz einfach: Ich frage den Leuten Löcher in den Bauch, schon lange bevor die Tiere hier ankommen. Die Meisten fragen vor allem nach Farbe und Geschlecht, wenn sie Mäuse anschaffen. Ich frage nach Alter, Vorgeschichte, Entwicklung, Eigengeruch, Gesundheit, vorangegangene Vergesellschaftungen und so weiter … Und ja, ich frage da manchmal scheinbar total unsinnige Fragen, wie zum Beispiel die nach der aktuellen Käfiggröße oder nach einem Foto vom Schwanz. Alles Blödsinn? Na ja, der Blödsinn funktioniert zumindest in etwa 80% aller Fälle. Für die restlichen 20% gibt es Plan B.
Mehr Neugier bitte
Das Geheimnis meiner Opas ist auch das Geheimnis nicht nur einer erfolgreichen, sondern auch einer vergleichsweise stressarmen Vergesellschaftung. Es müssen Mäuse aufeinander treffen, die zueinander passen. Und zumindest bei Farbmäusen und Mongolen haben wir den Luxus, genügend Partnertiere zur Auswahl zu haben. Also schaut Euch Eure neuen Mitbewohner schon vor der Anschaffung genauer an, wenn Ihr die Chance dazu habt.
Fragt Euch durch, auch wenn Euer Gegenüber vielleicht ab und zu etwas sparsam guckt. Sonst guckt Ihr später vielleicht noch sparsamer, wenn sich das Pack zwar schlägt, aber nicht verträgt. Und immer dran denken, auch dass Ihr über eine Maus oder einen potenziellen Gruppenteil nichts wisst, ist eine wichtige Information. Außerdem immer vor der Vergesellschaftung anschaffen: den Plan B. Denn Ihr wisst ja, die wollen – und müssen – sich nicht immer vertragen …
2 thoughts on “Wollt Ihr Euch wohl vertragen!?”