Es gibt unter den Mäusehaltern und noch häufiger unter den Unverhofft-Mausbesitzern eine wunderbar entspannte Haltung zum Mäusetransport. Entweder haben sie aufgrund der Spontaneität, mit der sie zur Maus kommen, keine richtige Transportbox – oder sie meinen, das Universum sei ihnen gnädig und sie brauchen einfach keine. Ein Karton reicht doch. Wer länger Mäuse hat, ahnt es schon: Das kann nicht gut gehen. Ok, es gibt auch extrem faule Mäuse. Die kann man über 500km im Karton spazieren fahren. Ein paar Highlights, was bei weniger faulen Mäusen passiert, hab ich hier für Euch gesammelt.
“Der Karton auf dem Tisch, da”
Klein-Angelus auf dem Weg, eine Maus abholen. Ich komme in einen netten, sehr aufgeräumten Haushalt. Die Mutter dreier Kinder begrüßt mich. Ihr Filius hätte im Garten eine Maus gefunden, von der sie glaubt, es sei eine Farbmaus. Sie habe sie in einen Karton gesetzt und in die Küche gestellt. Ich höre “Karton”, denke mir aber meinen Teil. Bei Farbis kann man ja Glück haben.
Mit der Mutter und dem Finder-Filius betrete ich die Küche. Spiegelglatte, glänzende Oberflächen blitzen mir ohne ein einziges Staubkorn entgegen. Hier hat alles seinen Platz.
Auf dem Esstisch steht ein Obstkorb. Daneben ein halboffener Brotkasten. Ich habe das Frühstück knapp verpasst, erfahre ich. Kurz vor der Tischkante in respektvollem Abstand zu den Lebensmitteln steht ein Schuhkarton, im Deckel einige Löcher. Aha, die Maus. Ich gehe zum Tisch und nehme den Deckel ab. Keine Maus. Aber weiße Mäuse in weißem Küchenpapier übersieht man schon mal, wenn die Familie der armen Maus gleich eine halbe Rolle schenkt.
Ich wühle. Keine Maus. Ich wühle weiter. Immer noch keine Maus. Komisch. Im Deckel war doch gar kein Loch. Im Deckel nicht, aber unten in der letzten Ecke schon, wie ich nach Ausräumen des Behältnisses feststelle. Klarer Fall von Maus gegen Karton 1:0.
“Ist … sie … weeeeg?” Die Stimme der Mutter hinter mir klingt hart am Rande der Panik. Eine Maus, frei in ihrer perfekten Küche. “Jo, sieht so aus.” Ihr zu sagen, dass eine Farbmaus nicht weit gekommen sein kann von dem Tisch, vergesse ich. Ehrlich. Es war keine Absicht. Ich denk an sowas echt nicht – auch wenn es ihr zartes Nervenkostüm wahrscheinlich etwas entspannt hätte.
Keine fünf Minuten später hab ich das kleine Albinoplüsch dann auch gefunden – und fische es mit spitzen Fingern aus dem Brotlaib in der halboffenen Brotlade. In den paar Minuten hat Madame ein beachtliches Loch da rein gefressen. Na, hoffentlich kriegt sie davon kein Bauchweh. Der Mutter ist anzusehen, dass sie meine Sorge nicht teilt.
Ich bedanke mich für die kleine Essensräuberin und empfehle für das nächste Fundmäuschen den Wischeimer mit Sieb drüber. Da fressen sich Mäuse erfahrungsgemäß nicht so schnell raus aus dem Behälter und rein in die örtlichen Vorräte.
Schilfwühlmäuse ohne Führerschein
Es gab Zeiten, da gab es so viele Schilfwühlmäuse, dass man die tatsächlich mal abholen musste. Ich gondele also zu einer jungen Dame, die sich das Völkchen ganz offensichtlich anders vorgestellt hat. “Die machen halt nix”, zuckt sie mit den Schultern, als ich nochmal nachfrage, ob sie die wirklich abgeben will. Dann führt sie mich ins Wohnzimmer, wo eine Briefmarke von Aquarium steht. Die 6 Bewohner sehe ich nirgends.
“Die sind hier drin”, hebt die Dame einen nicht mal A4 großen Karton hoch. Wer Schilfwühler kennt, weiß, dass das für 6 Mäuse echt eng wird. Ja, wie jetzt!? Die sollten doch im Aqua reisen? Nee, nee, das hat sie jetzt doch verkauft. Das wird nachher geholt. Ich hole tief Luft und entscheide mich im letzten Moment dagegen, ihr zu sagen, was ich davon halte. Eine Transportbox hat sie nicht? Nein. Aber der Karton tut es schon. Die sind ja eh faul.
Ich kann mir den Spruch von wegen Aquarium in Briefmarkengröße dann doch nicht klemmen und werde prompt zur Tür raus geschoben mit dem Kommentar, ich solle doch froh sein, dass ich die Mäuse nicht bezahlen muss. Froh bin ich wenig später, dass Schilfwühler zwar wie erwartet nicht faul, aber zumindest neugierig sind. Bei 120km/h auf der Autobahn trabt plötzlich ein kleines, rundes Gesichtchen mit Knopfaugen und ner ganzen Maus dran über mein Armaturenbrett. Na, ganz prima! Noch 20km bis zum nächsten Rastplatz.
Kurz darauf bohrt sich ein flauschiges Etwas in mein Hosenbein und klettert darin hoch. Noch 15km bis zum Rastplatz. Die Armaturenbrettmaus hat es sich inzwischen in der Mulde vor dem Tacho bequem gemacht.
Plötzlich knistert es in der Tüte auf dem Beifahrersitz. Meine Apfelschnitze kann ich dann wohl auch in den Wind schreiben. So viel zu meiner Wegzehrung – und noch 10km bis zum Rastplatz.
Die Maus in meinem Hosenbein bekommt Gesellschaft und in der Tüte neben mir schmatzt es seit 10min unanständig. Die Armaturenbrettmaus ist inzwischen umgezogen und steht jetzt vorn an der Windschutzscheibe. Ich zähle im Geiste nach: eine auf dem Armaturenbrett, zwei im Hosenbein und eine in der Apfeltüte. Wo sind die anderen zwei!? Noch 5km bis zum Rastplatz.
Unter dem Fahrersitz hocken sie und haben es sich hier so gemütlich gemacht, dass sie eingedöst sind, wie ich dann auf dem Rastplatz feststelle. Dort schwatze ich dem Tankwart, der wahrscheinlich bis heute über mich lacht, einen alten Eimer ab und klaube die Mäuse aus meinem Auto. Der Schweizer Käse … äh … Karton landet im hohen Bogen im Papierkorb und aus dem Eimer gucken mich 6 vorwurfsvolle Augenpaare an.
Waldmaus gegen Angelus
Die meisten Mäuse verschlafen die Fahrt ins neue Heim. Die Meisten … So war das auch mit der Waldmaus geplant, die mir ihre Finder zu einem Rastplatz an der A3 bringen wollten. “Eben war sie doch noch da”, wundert sich das Pärchen. “Eben” war am letzten Rastplatz und seitdem hatte das Waldmausi ausreichend Zeit, sich aus dem Karton zu bohren und das Auto anzugucken.
Die Familie neben uns schaut irritiert, als wir beginnen, hektisch, das Auto auf links zu drehen. Keine Maus. Bald schauen noch weitere Rastplatzbesucher. Irgendwie scheinen die zu denken, wir haben im Auto Dope versteckt und sind zu bekifft, um uns an das Versteck zu erinnern. Zumindest gucken sie so. Immer noch keine Waldmaus.
Schließlich pflücke ich triumphierend Klein-Waldi von der Lehne des Fahrersitzes. Hab Dich, Du kleines Säckel. Leider dachte ich, das Säckel kommt in einer Transportbox – und habe natürlich keine mit. Also Karton zukleben und ganz schnell ab nach Hause. Ich bin noch nicht ganz vom Rasthof runter, da höre ich es neben mir auf dem Beifahrersitz: “Knusper, knusper. Knabber, knabber.”
Fies streichle ich die Nase, die aus dem Lüftungsloch schaut und selbiges zu erweitern sucht. Empört lässt Waldi los und dreht eine Runde durch den Karton – nur im gleich darauf wieder an dem Loch zu hängen. Ich angle beim Fahren mein Portemonnaie aus der Tasche und lege es auf das Loch.
“Du kannst mich mal. Ist ja nicht das einzige Loch”, scheint sich Waldi gedacht zu haben – und knabbert mit Leidenschaft das nächste Loch. Was sich dann abspielt, erinnert mich ein wenig an dieses Fische-Angeln-Spiel, wo die Fische immer wieder ab- und auftauchen an verschiedenen Stellen. So ungefähr könnt Ihr Euch das auch hier vorstellen: Nase raus aus Loch A, Nase streicheln, Nase weg … Nase raus aus Loch B, Nase streicheln … und so weiter. Und es gab Loch A bis Z.
Ihr könnt Euch also ungefähr vorstellen, wie unterhaltsam die knapp 15 Minuten nach Hause waren. Zu Hause angekommen sitzt Waldi dann auf meiner Hand (wie Ihr oben sehen könnt) und guckt mit dem schönsten Unschuldsblick, den einfach nur Mäuse drauf haben. Ja, ok, ich hab Dich trotzdem lieb und überwinter Dich. Und dreimal dürft Ihr raten, wer im Frühjahr im hohen Bogen rausgeflogen ist und jetzt auf dem Kompost hinterm Haus wohnt und wer drei Kreuze gemacht und die Löcher repariert hat, die gewisse Mäuse in gewisse Gehege gefressen haben.
ja, komisch, daß die “Nagetiere” heißen! 😀
Habe herzhaft gelacht. 🙂
ich auch!
Toll geschrieben – und unsereins hat ja kein Problem, da nicht innere Bilder zu kriegen 😀