Eine Beule = ein Tumor?
Bei einem Tumor handelt es sich zuerst nur um eine Umfangsvermehrung, über deren Ursprung, sowie die Gut- oder Bösartigkeit es noch keine Aussage gibt. Liegt der Tumor außen, ist er als Beule oder Knoten tastbar. Tumore im Körperinneren sind dagegen eher schwer zu entdecken. Betroffen sein kann grundsätzlich jedes Körpergewebe.
Nicht alle Beulen und Wucherungen sind jedoch Krebs. Es kann sich auch um einen Abszess oder eine Talgansammlung aufgrund einer verstopften Talgdrüse handeln. Lassen Sie daher Verdickungen, Knoten und Wucherungen immer beim Tierarzt abklären. Doch selbst wenn dieser Krebs feststellt, muss das noch nicht das schnelle Ende der betroffenen Maus bedeuten. Die Prognose hängt von der Art und dem Wachstumstempo der Neubildung ab.
Tumore können sehr schmerzhaft sein. Ersparen Sie Ihrem Tier daher ständige häusliche Untersuchungen der Wucherung. Das ausschlaggebende Urteil kann ohnehin nur Ihr Tierarzt treffen.
Da im Volksmund “Tumor” und “Krebs” oft gleichgesetzt werden, verwene ich im weiteren Textverlauf das Wort Tumor ebenfalls stelvertretend für die Langform “Krebstumor”. Dieser Text behandelt also ausschließlich diese Form der Tumore.
Wie entsteht ein Tumor?
Körperzellen sind ausdifferenziert, haben also ihre endgültige Funktion aufgenommen. Im Körper arbeiten diese Zellen normal, teilen sich aber nicht mehr. Daher nennt man diesen Zustand auch Ruhephase. Lediglich Stammzellen, die im Körper nur einen sehr kleinen Teil der Gesamtzellzahl ausmachen, können sich noch teilen, wenn es die Umstände erfordern. Sie sind dann die Zellen, die beispielsweise eine Verletzung wieder zuwachsen lassen. Gesunde Zellen teilen sich dabei lediglich so lange, wie es erforderlich ist. Danach fallen sie wieder in ihre Ruhephase.
Treten im Erbgut der Zelle Defekte auf, erhält diese mitunter das Signal zur Teilung, ohne dass ein äußerer Anlass besteht. Zellwucherungen und damit Umfangsvermehrungen können entstehen. Diese sind in der Regel jedoch noch gutartig. Sie können noch nicht in den Blutkreislauf übergehen und auch keine Metastasen bilden.
Erst, wenn diese Zellansammlung von weiteren Mutationen betroffen ist und es zu weiteren Veränderungen der Zellen kommt, entstehen Tumor-Stammzellen. Sie machen jedoch nur einen Bruchteil der gesamten Geschwulst aus. Diese Zellen sind der einzige Zelltyp, der den Tumor am Leben erhalten und neu aufbauen kann, wenn dieser entfernt wird. Daher ist es essentiell notwendig, dass diese Stammzellen bei der Tumorbekämpfung komplett entfernt oder abgetötet werden,
Ob die Zelle normal reagiert oder sich grundlos beginnt zu teilen, bestimmen zwei Gentypen, die Tumorsuppressoren und Protooncogene genannt werden. Erstere unterbinden eine grundlose Zellteilung, letztere verursachen sie. Beide Gentypen sind jeweils doppelt in jeder Zelle vorhanden, die Suppressorgene sind aktiv, die Protooncogene inaktiv. Um eine unkontrollierte Teilung zu unterbinden, muss mindestens ein Supressor aktiv sein. Bei den Protooncogenen reicht schon ein aktives Gen des Paares, um die Zelle entarten zu lassen.
Kommt es durch Mutationen an der DNA zum Funktionsverlust der Suppressoren oder zur Aktivierung der Protooncogene, wird der normale Ablauf in der Zelle gestört und sie beginnt, sich ohne Anlass zu teilen.
Im Durchschnitt sind etwa 8 verschiedene Mutationen notwendig, um eine Zelle entarten zu lassen. Besitzen die Keimzellen der Eltern bereits eine oder mehrere Mutationen, so steigt die Wahrscheinlichkeit des Nachwuchses, im Laufe seines Lebens Krebs zu entwickeln. Die Jungtiere müssen jedoch nicht zwingend irgendwann erkranken.
Tumorarten
Unterschieden wird zwischen drei Tumorarten, der Mediziner spricht hier von:
- gutartigen (benignen) Tumoren
- bösartigen (malignen) Tumoren
- semimalignen Tumoren
Gutartige Tumore verwachsen meist nicht mit dem umliegenden Gewebe und sie bilden keine Metastasen. Wenn sie unter der Haut liegen, lassen sie sich daher bei Berührung verschieben und sind gut abgrenzbar. Meist wachsen sie eher langsam. Lipome adipöser Nager sind typische gutartige Tumore.
Bösartige Tumore wachsen dagegen oft schnell und auch in umliegende Gewebe hinein. Sie lassen sich nicht oder nur schwer verschieben und sind nur schwer abgrenzbar. Zudem bilden sie leicht Metastasen in anderen Geweben, indem die Tumorzellen in den Blutkreislauf eindringen und durch diesen im Körper verteilt werden.
Manche Wucherungen wachsen so langsam, dass gerade ältere Tiere immer noch eines natürlichen Todes sterben können, bevor der Tumor sie zu sehr belastet oder einschränkt. Es gibt jedoch auch gutartige wie bösartige Formen, die rasend schnell wachsen. Hier muss der Halter oft die schwere Entscheidung darüber treffen, wann der Zustand für das Tier nicht mehr tragbar ist oder ob in einem frühen Stadium eine Operation versucht werden soll.
Je nach Lokalisation werden verschiedene Tumore unterschieden:
Übertragung
Die meisten soliden Tumore sind nicht ansteckend, da ihnen eine genetische Ursache zugrunde liegt.
Liegen einer Tumorerkrankung jedoch Viren zugrunde, kann diese auch ansteckend sein. Zu diesen Viren gehören die Papilloma-Viren, aber auch die deutlich gefährlicheren Mäuse-Leukämie-Virusarten, die bei den betroffenen Tieren Blutkrebs verursachen.
Da Krebs eine durch mutierte Gene ausgelöste Erkrankung ist, können auch bestimmte, „kanzerogen“ genannte Stoffe die Krankheit auslösen. Vermeiden Sie es also, Ihre Tiere Zigarettenrauch, Lackdämpfen, Weichmachern aus Kunststoffen oder Formaldehyd (z.B. im zum Gehegebau verwandten Material) und ähnlichen gefährlichen Stoffen auszusetzen.
Wen trifft es?
Besonders häufig erkranken Farbmäuse und Farbratten an Tumoren. Zwar treten diese in der Regel erst bei älteren Tieren auf, jedoch nicht ausschließlich. Weibchen sind dabei wesentlich häufiger betroffen als Böcke
Aber auch bei Mongolischen Rennmäusen treten sie gehäuft auf. Vor allem Entartungen der Duftdrüse sind für diese Tiere typisch.
Sehr selten sind sie dagegen bei Exoten zu finden, für die Tumore eine eher untypische Erkrankung sind.
Diagnose
Ob es sich bei einer Umfangsvermehrung um einen Tumor im Sinne von Krebs handelt, lässt sich mitunter schon mit einer äußerlichen Untersuchung feststellen. Schimmert die Beule unter der Haut gelblich, ist sie eventuell auch noch warm und/oder druckempfindlich, ist eher mit einem Abszess zu rechnen. Bei einer natürlich rosigen Färbung oder gar bläulichen Verfärbungen muss dagegen auch ein Tumor in Betracht gezogen werden. Ob es sich wirklich um einen solchen handelt, kann nur der Tierarzt herausfinden. Ob es sich dabei um einen gut- oder bösartigen Tumor ist, lässt sich durch die pathologische Untersuchung von Gewebeproben feststellen. Dazu führt der Tierarzt eine Kanüle in den Tumor ein und versucht darin enthaltenes Material anzusaugen. Dieses wird dann ins Labor eingeschickt.
Liegen Tumore im Körperinneren, können sie entweder nur vermutet werden oder sie äußern sich durch die von ihnen verursachten Symptome.
Behandlung
Eine mögliche Behandlung von Tumoren ist die operative Entfernung. Hier sollten Sie jedoch vorher gründlich abwägen, ob ein solcher Eingriff wirklich sinnvoll ist.
Für alte oder eventuell auch noch anderweitig kranke Tiere entfällt diese Möglichkeit schon aufgrund des stark gesteigerten Narkoserisikos. Auch für Tiere mit definitiv bösartigen Wucherungen ist die Operation kein Gewinn. Zu groß ist das Risiko, dass der Tumor schon gestreut hat und daher schon kurz nach der anstrengenden OP neue Wucherungen auftauchen.
Sinnvoll ist eine Entfernung also eher für junge, gesunde Tiere mit einer günstigen Prognose. Diese Tiere können noch einige Monate gewinnen. Bei gutartigen Tumoren besteht auch eine Chance, dass die Tiere nach der Operation dauerhaft tumorfrei sind. Eine Garantie gibt es allerdings nicht. Ob die Prognose günstig ist, kann nur der Tierarzt mithilfe von pathologischen Gewebsuntersuchungen, Röntgen und Ultraschall sicher feststellen.
Wenn Sie sich für den Eingriff entscheiden, wählen Sie nach Möglichkeit immer eine Inhalationsnarkose. Diese Form der Narkose schont den Kreislauf der Tiere und ist besser steuerbar.
Ist ein Eingriff nicht möglich oder haben Sie sich dagegen entschieden, können Sie nur noch eines tun: Verwöhnen Sie Ihren Patienten, sorgen Sie für ein möglichst entspanntes, erfülltes Leben und belassen Sie das Tier in seiner Gruppe.
Zudem gibt es eine ganze Reihe Methoden, der betroffenen Maus das Leben zu erleichtern. Mäuse sind Fluchttiere und zeigen daher erst sehr spät Schmerzen. Die große Mehrheit der Tumorerkrankungen wird aber früher oder später sehr schmerzhaft für das Tier. Sprechen Sie daher schon frühzeitig mit Ihrem Tierarzt über die Möglichkeit einer Schmerztherapie, zum Beispiel mit Metacam. Meist lässt sich schon nach drei- bis fünftägiger Gabe erkennen, ob es der Maus mit Schmerzmedikation besser geht.
Bei Tumoren, die hormonelle Züge aufweisen, ist gegebenenfalls eine Kastration sinnvoll. Dies ist jedoch bei Weibchen kleinerer Arten so schwierig, dass sich dieser Eingriff nur bei Böcken empfiehlt. Bei Weibchen kann vor allem bei Tumoren an der Milchleiste (Mammatumore) eine Hormontherapie sinnvoll sein.
Auch ein Depotcortison kann unter Umständen zur Behandlung eines Tumors eingesetzt werden. Es wirkt ähnlich wie eine Chemotherapie und hat dazu den Vorteil, dass es nicht täglich gespritzt werden muss.
Neben diesen Behandlungsmethoden gibt es noch unzählige Möglichkeiten wie etwa die Homöopathie, deren Wirkung jedoch nicht wissenschaftlich belegt. Interesse haben dagegen in letzter Zeit Sulforaphanprodukte erregt. Im Tierversuch konnte der Stoff schon erfolgreich zur Tumorbekämpfung eingesetzt werden. Medikamente mit dem Wirkstoff gibt es in Deutschland allerdings noch nicht. Beispielsweise in den USA werden aber bereits Humanpräparate als Nahrungsergänzungsmittel angeboten.
Manchmal lässt sich das Tumorwachstum sogar mit einer Ernährungsumstellung beeinflussen. Eine proteinreduzierte Diät kann das Tumorwachstum unter Umständen verlangsamen oder gar ganz stoppen. Weg diäten lässt sich ein Tumor jedoch nicht. Hier müssen Sie allerdings darauf achten, dass die Maus zumindest das lebensnotwendige Mindestmaß an Proteinen weiterhin zugeführt bekommt. Ihr Tierarzt kann Ihnen bei der Erstellung eines entsprechenden Ernährungsplanes helfen.
In sehr seltenen Fällen kommt es auch zu einer Spontanheilung. Tumore brauchen für das immense Wachstum viel Energie. Daher ziehen sie Blutgefäße an, die in den Tumor einwachsen und ihn ausreichend versorgen. Teilweise wächst er jedoch so schnell, dass er sich selbst die Blutzufuhr abschneidet und in der Folge abstirbt.
Einschläfern
Irgendwann stehen Sie dann vielleicht vor der schweren Entscheidung: Einschläfern oder noch warten?
Es ist schwer, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Warten Sie aber nicht zu lange! Lieber einen Tag eher als zu spät handeln!
Beobachten Sie Ihre Maus daher genau. Bei sehr großen Tumoren leidet vor allem die Haut. Sie spannt, glänzt und ist durch die Belastung oft feuerrot. Warten Sie nicht, bis der Tumor platzt. Schon wenn sich eine „Sollbruchstelle“ in Form eines Schorfes ankündigt, sollten Sie Ihren Patienten erlösen lassen. Ein aufgebrochener Tumor bringt einen hohen Blutverlust mit sich, ist schmerzhaft und weder für Tier, noch für Halter erstrebenswert. Selbiges gilt, wenn die Maus anfängt, selbst an der Wucherung herumzuknabbern.
Auch Tiere, die die Nahrungsaufnahme verweigern oder nicht mehr am sozialen Gruppenleben teilnehmen, sich stattdessen zurückziehen und apathisch werden, sollten Sie erlösen.
Schwierig ist die Frage, wann der Tumor so groß ist, dass er die Maus so sehr beeinträchtigt, dass sie kein tiergerechtes Leben mehr führen kann.
Wenn die Entscheidung gefallen ist, verpacken Sie das Tier in eine Box mit vertrauter Streu und einem Häuschen, das es kennt. Im Idealfall begleitet die Gruppe den Patienten auf seinem letzten Weg zum Tierarzt. Nur er ist nämlich gesetzlich berechtigt, das Tier zu euthanasieren.
Möchten Sie der kranken Maus den Stress des Transportes ersparen, können Sie auch einen Hausbesuch bestellen. Leider ist bei so kleinen Tieren immer noch nicht jeder Tierarzt bereit zu einem solchen Besuch.
Quellen
Anja Ewringmann, Barbara Glöckner: Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus; Enke, 1. Auflage 2008
Rolf Knippers: Molukulare Genetik; Thieme Georg Verlag, 6. Aufl. 2002
Vorlesung „Spezielle Genetik 1 – 4“, Universität Erlangen-Nürnberg
Quelle Unterseiten
Anja Ewringmann, Barbara Glöckner: Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus; Enke, 1. Auflage 2008
Autoren
I. Wank, A. Noctis